Mit Komplimenten ist das so eine Sache. Man hört sie gerne. Auch gerne oft. Nur bitte nicht immer dieselben. Das ist wie in Beziehungen. »Schatz, du bist das Beste, was mir im Leben je passiert ist«, weckt beim ersten Mal Verzückung. Wenn im zehnten Ehejahr dem Partner noch immer keine andere Liebesbekundung eingefallen ist, fragt man im Freundeskreis, ob jemand einen guten Scheidungsanwalt kennt.
Auch Heiko Maas versteht sich auf Komplimente. Vorigen Sonntag gratulierte der Minister dem Zentralrat der Juden zum 70. Jahrestag: »Dass wieder jüdisches Leben in unserem Land gewachsen ist, begreifen wir als unverdientes Geschenk.«
dankbarkeit »Unverdientes Geschenk« – das ist ein schönes Bild. Irgendwo haben wir das aber schon mal gehört. Heiko Maas in einem Zeitungsinterview Februar 2015: »Die Zahl der Mitglieder der jüdischen Gemeinden hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Ich empfinde das besonders mit Blick auf unsere Vergangenheit als ein unverdientes Geschenk, für das wir sehr dankbar sind.«
»Unverdientes Geschenk« – das ist ein schönes Bild. Irgendwo haben wir das aber schon mal gehört.
Sechs Monate später, Maas bei der Vorstellung der Maccabi Games in Berlin: »In Deutschland empfinden wir das, dass jüdisches Leben wächst, als nichts anderes als eine Art unverdientes Geschenk.« Dann zwei Jahre Geschenkepause bis zum Februar 2017, als der Minister im »Spiegel« nach antisemitischen Ausschreitungen in Berlin mahnte: »Dass überhaupt wieder jüdisches Leben in unserem Land gewachsen ist, begreifen wir als unverdientes Geschenk.«
Besonders reich beschenkt war 2018. Januar: Justizminister Heiko Maas zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus: »Dass überhaupt wieder jüdisches Leben in unserem Land gewachsen ist, begreifen wir als unverdientes Geschenk.« Wortgleich im Februar, zum Thema Stolpersteine: »Dass überhaupt wieder jüdisches Leben in unserem Land gewachsen ist, begreifen wir als unverdientes Geschenk.«
antrittsbesuch März, Antrittsbesuch als Außenminister in Israel: »Ich bin hier überall sehr freundlich und warmherzig empfangen worden. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Für einen Deutschen fühlt sich das wie ein unverdientes Geschenk an.« April, zurück in Berlin bei der Feier zu 70 Jahren Israel: »Dass Deutschland und Israel eine wirkliche Freundschaft verbindet, das ist ein wunderbares Geschenk für uns Deutsche. Manchmal haben wir auch den Eindruck, dass es ein unverdientes Geschenk ist.«
Einmal lassen wir es noch durchgehen – aber dann haben wir Juden uns eine neue Metapher redlich verdient.
Oktober, bei der ersten Ordination orthodoxer Rabbiner in Deutschland seit der Schoa: »Dass in Berlin heute wieder die größte jüdische Gemeinde Deutschlands lebt, ist ein Geschenk für uns – ein unverdientes Geschenk.«
Und so weiter und so fort. Das Schenken will kein Ende nehmen.
Einmal lassen wir Heiko Maas das mit den Geschenken noch durchgehen – zu Chanukka. Danach aber wird es Zeit, dass wir auch mal etwas zurückgeschenkt bekommen. Es muss nichts Großes sein. Eine neue Metapher würde schon reichen. Die haben wir allmählich verdient.