Nelly Kranz, Münchnerin mit deutschem und israelischem Pass, kümmert sich als »Head of Strategic Partnership Germany« um deutsche Förderer, die eine Partnerschaft mit der Tel Aviv University (TAU) eingehen. Als sie im Herbst 2023 ihren Arbeitsvertrag unterschrieb, konnte niemand ahnen, was am 7. Oktober geschehen würde. Auch das Leben an den israelischen Universitäten ist ein anderes geworden.
Frau Kranz, die Universität Tel Aviv ist mit 30.000 Studierenden die größte im Land. Wie hat sie auf den 7. Oktober reagiert?
Vor allem unglaublich schnell: Bereits um 9 Uhr am Morgen des 7. Oktober hatte man eine erste Emergency Hotline geschaltet mit Psychologiestudenten, Psychologen, einem Medical Stuff am anderen Ende, die rund um die Uhr den Traumatisierten, die Hilfe brauchten, zur Verfügung standen. Die Hotline gibt es bis heute. Zusätzlich wird dieser Tage zusammen von Uni und der israelischen Armee ein nationales Posttrauma-Zentrum eingerichtet. Das gibt es als Projekt schon länger, aber seit dem 7. Oktober wird es ausgebaut und schneller vorangetrieben. Dafür hat man, ebenfalls in kürzester Zeit, einen Notfallfonds angelegt.
Seit dem 7. Oktober befindet sich Israel in einem Krieg …
… in den eben gerade junge Menschen ziehen müssen, die eigentlich die Universitäten füllen sollten. Die TAU hat etwa 30.000 Studierende. Davon sind etwa 6000 als Reservisten in den Krieg eingezogen worden. Normalerweise fängt das akademische Jahr nach den Feiertagen im Oktober an. 2023 war das natürlich anders, auch weil einfach zu viele Studierende noch in der Reserve oder eingezogen waren. Das akademische Jahr ging deshalb erst am 31. Dezember los.
Wie geht die TAU damit um, dass unter Ihren eingeschriebenen Studierenden viele bis vor Kurzem als Soldaten im Krieg waren oder immer noch dort sind?
Sie hat da eine klare Haltung. Sie sagt: Diese jungen Menschen tun alles, um uns zu schützen, also sind wir als Universität dazu verpflichtet, ihnen etwas zurückzugeben, sie als Studierende bestmöglich zu unterstützen, keinen von ihnen auf der Strecke zu lassen.
Und da kommt jetzt die Kampagne »From Uniform to University« ins Spiel …
Wir versuchen natürlich, Spenden zu akquirieren, um die Studierenden finanziell zu entlasten, wir vergeben Stipendien, unterstützen bei den Lebenshaltungskosten oder bieten Nachhilfeunterricht an. Die vierte Woche des Uni-Jahres wird eine Nachhilfe Woche sein, in der es One-to-one-Tutorials gibt, sodass die Studierenden Stoff nachholen können, und da engagieren sich auch viele Dozenten, und zwar pro bono. Wir unterstützen je nach Lebenssituation, zum Beispiel gibt es ja Paare, bei denen einer von beiden in Reserve ist und der Partner oder die Partnerin an der Uni studiert. Da gibt es ja dann schnell mal einen Engpass. Die TAU versucht, für jeden Einzelfall da zu sein und eine Lösung zu finden. Und auch Alumni unterstützen sehr engagiert unsere Kampagne.
Welche Hilfe können Studierende, die ihren Pflichten für ihr Land als Soldaten und Soldatinnen nachkommen, eigentlich von Benjamin Netanjahus Regierung erwarten?
Gute Frage. Na ja, sie zahlt ein gewisses Gehalt an die Reservisten aus, es gibt Incentives für die Evakuierten … Aber das reicht als Hilfe nicht. Die Realität zeigt ohnehin, dass bei gesellschaftlichen Abläufen immer auch eine Art Vakuumbereich entsteht. Und da ist dann das zivilgesellschaftliche, schnelle Engagement gefragt. Die TAU stellt sich den Realitäten wie den Problemen. Und was man dabei ja auch mitdenken muss: Die TAU steht für liberale Werte, für Demokratie, Wissenschaft, Fortschritt, Werte, die wir in Israel schätzen. Und das macht Hoffnung, dass aus einer solchen Universität die zukünftigen Macher und Macherinnen unseres Landes kommen werden.
Mit der Beraterin für politische Kommunikation und Strategie sprach Katrin Diehl.