Ui, ui, ui, es rauscht im Blätterwald. Wieder ein Thema, mit dem man seine Kommentarspalten füllen, seine Klicks rauftreiben kann. Wie nett.
Eine Künstlerin, in Österreich mit sehr viel schwarzem Humor und der Gewohnheit größtmöglicher Ambiguität aufgewachsen, wird dank ausgesprochen extravagantem Auftreten und hin und wieder blitzgescheiten, dann wieder nur höchst verwirrenden Satzgebilden zum Shooting-Star der Kabarettszene. Sie behauptet bösartige Dinge, treibt sie auf die Spitze, dreht sie gegen sich selbst – so lange, bis niemand mehr weiß, ist das jetzt Meinung, Satire oder Wichtigtuerei?
Plötzlich redet kaum jemand mehr über Lisa Eckharts antisemitischen Blödsinn.
JUDEN Gerade in Deutschland, vor allem nördlich der Weißwurstgrenze, verwirrt so etwas enorm. Wer die trübe österreichische Suppe der Anything-goes-Vieldeutigkeit auf die deutsche Sehnsucht nach Teflon-Positionierung schüttet, hat sofort ein explosives Gemisch.
Und peng!
Lisa Eckhart sagt etwas über Juden. Sie sagt etwas über mädchenvernaschende und geldgeile Juden – ein geradezu plattitüdenhaft antisemitischer Topos. Sie spitzt an und sticht zu. Denn die Nummer mäandert um die Problematik, dass auch klassische Opfer der »weißen Privilegienkultur« Fehler machen, Täter werden können. Und was dann?
Ihr Ausspruch wird im Fernsehen gesendet und verletzt konsequenzlos »ein paar Juden«. Dann dümpelt der Fall noch eine Weile hin und her, bis Frau Eckhart ihr neues Buch Omama in Hamburg vorstellen soll. Bei einer Lesung, mit anderen (nichtjüdischen) Autoren. Und die verweigern, mit Frau Eckhart eine Bühne zu teilen.
CANCEL CULTURE Daraufhin bietet ihr der Veranstalter an, einen Abend ganz alleine zu bestreiten. Sie, nicht dumm, wittert wohl die süße Morgenluft der kostenlosen PR und lehnt das ab. Der Veranstalter faselt unbegabt davon, dass man in der linksautonomen Gegend schon von Gegenprotest geraunt hätte und man daher aus Sicherheitsgründen … bla bla bla … – und cancelt den Abend.
Eines ist klar: Ihr neues Buch »Omama« wird sich ganz sicher blendend verkaufen.
Und zack – sind Feuilleton, Twitter und Facebook, also die Medien der über 40-Jährigen, voll mit Erregung. Plötzlich redet kaum jemand mehr über Lisa Eckharts antisemitischen Blödsinn. Kaum jemand kriegt mit, dass Eckhart Vexierspiele von sich gibt, Bilder eines Establishments, dem sie selbst auch anzugehören scheint. Sie seziert dessen Weichteile in eitler und überspitzter Form, sie verdreht, führt ad absurdum.
ISRAEL Meist wird über sie – die bewusst daran arbeitet zu polarisieren – aufgrund von Geschmacksurteilen der Stab gebrochen. Nun wird ihr von links vorgeworfen, eine Rechte zu sein, von rechts schreit man, dass wieder die Cancel Culture ihr böses Haupt erhebt, die einen schimpfen, dass der Veranstalter die Linksextremen benutzt habe und daher selbst rechts sei, die anderen empören sich, dass man »wieder Judenhass ungestraft auf deutsche Bühnen bringen« könne, als wäre das neu. (Neu ist nur, dass Israel dabei nicht erwähnt wird.)
Von Frau Eckhart selbst ist nichts zu hören. Was bleibt? Man kann ihr vorwerfen, dass es schon genügend antisemitische Pointen auf dem Rücken von Juden gegeben hat. Keine der beiden Seiten, weder Täter noch Opfer von jahrhundertelanger Ausgrenzung, sind für Ambiguität bereit. Was – wenn überhaupt – die junge Künstlerin erreichen wollte, werden erst die Zeit und ihre weiteren Auftritte zeigen können. Aber ihr Buch wird sich blendend verkaufen.
Die Autorin ist Publizistin und Diseuse.