Sprachgeschichte(n)

Schmonzes mit Lakritze

Eine typische Schmonzette: ARD-Dauerserie »Lindenstraße« Foto: cinetext

Als »Schmonzetten« bezeichnet man wenig geistreiche, rührselig-alberne literarische oder filmische Machwerke oder auch gehaltlose Zeitungsbeiträge. Karl Kraus etwa erregte sich 1929 in seiner Zeitschrift Die Fackel über eine »Schmonzette von anderthalb Feuilletonspalten«.

Das Wort mit der französischen Endung ist von »Schmonzes« abgeleitet, einer möglichen mundartlichen Sonderform des jiddischen Wortes »Schmus« (Geschwätz), das auf das hebräische »schemuot« (Gerüchte) zurückgeht. In Österreich ist auch die latinisierte Variante bezeugt: »Der ganze Schmontius ist mir zuwider!«

Schmonzes steht für Herumgerede, dumme Vorwände oder Unsinn. Victor Klemperer schreibt etwa in seinen Tagebüchern (1950–1959) über einen bekannten Professorenkollegen: »Zuletzt sprach sehr lang und eifrig Hans Mayer, der Leipziger Germanist – aber auch Schmonzes.«

Schon das »schm« am Wortanfang hat, wie Lillian M. Feinsilver in The Taste of Yiddish (1970) schreibt, etwas Abwertendes. David Ben Gurion etwa pflegte Verurteilungen Israels durch die Vereinten Nationen mit »UN –SchmUN« zu kommentieren.

Dieter Hildebrandt würdigte einmal Robert Gernhardt: »Noch mit Kalauern, mit Nonsens und Schmonzes arbeitete er sich immer tiefer in die Sprache hinein.« Das Lob war ehrlich gemeint, kein »Schmonzes mit Lakritzen«, wie man anbiedernde Schmeicheleien nennt, wobei das Süßholz auf deren Scheinheiligkeit anspielt.

angeberei Nicht Komplimente an andere, sondern eigenlobende Angeberei bezeichnet das jiddische »Schmonzes-Ba(r)jonzes«. Die Kombination könnte, mutmaßte das Jüdische Lexikon (1930) unter dem Eintrag »Vulgärausdrücke«, von den synonymen neuhebräischen Wörtern für Fettigkeit (schamnonissa/-ta und berjussa/-ta) herrühren, deren Wortstämme schon im Buch Habakuk (1,16) vereint auftauchen.

Da b-r-j-a im Neuhebräischen auch »gesund, fest, gewiss, wahr« bedeutet, »meint die Redensart möglicherweise auch ›Vermischung von Falschem und Wahrem‹«. Ba(r)jonzes, das im Süddeutschen auch bri-enzes und pri-endes ausgesprochen wird, könnte aber auch eine Verballhornung des französischen »pour rien dire« (um nichts zu sagen) sein, in Kombination mit Schmonzes also »nichtssagendes Gerede« bedeuten.

Diese These nannte Siegmund A. Wolf 1957 in der Zeitschrift Muttersprache »hanebüchen«: »Barjonios« sei »die ursprüngliche jiddische Form, die jedes leichtsinnige Frauenzimmer kennzeichnet«, Schmonzes Barjonzes bedeute mithin »oberflächliches Weibergeschwätz«.

Das Substantiv Schmonze assoziiert Wolf im Jiddischen Wörterbuch (1986) mit dem mittelhochdeutschen Verb »smunzen« (für schmunzeln). Diese Möglichkeit deutet auch Kluges Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (2002) an.

Doch das sind Philologenscharmützel. Lieber zitiere ich den Autor eines Schmonzes-Barjonzes betitelten, 1859 in Berlin publizierten Gedichtbands in jüdischer Mundart. Er nannte sich Nathan Tulpenthal, Mazzebäcker a.D., und machte seinen Lesern eine Mitteilung, die ich übernehme: »Was ich hier schrieb, so gut ich konnt’ es/Euch zu ergötzen ist’s geschehn;/ Drum möcht ich nicht, dass diese Schmonzes/Von Euch jemand möcht missverstehn.«

Berlin

Berlinale gedenkt Opfers des Angriffs am Holocaust-Mahnmal

Am Vorabend wurde ein spanischer Tourist von einem syrischen Flüchtling, der Juden töten wollte, mit einem Messer angegriffen

 22.02.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025