In seinen besten Zeiten als Schachspieler war Bobby Fischer unschlagbar, ein Genie seines Sports, das es so weder vorher noch nachher gegeben hat. Doch Fischer war auch dafür bekannt – obwohl selbst Jude –, ein glühender Antisemit, Schoa-Leugner und paranoid gewesen zu sein. Wie dreht man einen Film über solch eine Person der Zeitgeschichte? Wie lässt sich das am besten in Szene setzen?
Dass Fischer Mein Kampf und Die Protokolle der Weisen von Zion verschlang, gibt filmisch natürlich wenig her. Vielleicht haben sich Drehbuchautor Steven Knight und Regisseur Edward Zwick in ihrem Werk Bauernopfer – Spiel der Könige auch deshalb für wesentlich spannungsgeladenere Szenen entschieden. In ihnen sitzt dann das von Tobey Maguire verkörperte Schachgenie andächtig vor dem Radio, hört Mitschnitte der evangelikalen Gruppierung Worldwide Church of God und wütet später selbst gegen Juden und Israel.
duell Die erzählte Zeit von Bauernopfer umfasst die Jahre von 1951 bis 1972. Der Film steigt ein während der siebenwöchigen Weltmeisterschafts-Matches gegen den Russen Boris Spasski (Liev Schreiber), die 1972 in Reykjavik stattfanden und seinerzeit zum Duell der Systeme hochstilisiert wurden. Als die zweite Partie angesetzt ist, tritt Fischer plötzlich nicht mehr an – er ist, wie später bekannt wird, nicht bereit, unter den gegebenen Bedingungen im Veranstaltungssaal weiterzuspielen, weil er sich durch hustende Zuschauer und Kamerageräusche gestört fühlt.
Dann springt der Film zurück in das Brooklyn des Jahres 1951, als der achtjährige Bobby aus dem Fenster seines Zimmers ein verdächtiges Auto beobachtet. Die Familie wird damals vom FBI überwacht – Regina Fischer (Robin Weigert), Bobbys jüdische Mutter, ist aktive Kommunistin. In den Szenen aus der Kindheit spielt der Film mehrere Motive an: Der Zuschauer erlebt Regina als Bohème-Frau, der die Politik wichtiger ist als ihr Sohn, und so bekommt man den Eindruck, die Enttäuschung über die mangelnde Liebe der kommunistischen Mutter sei die Hauptursache für den sich bei Fischer ab dem Teenageralter herausbildenden Kommunistenhass.
Die Impressionen von der realen Überwachung sind insofern von Bedeutung, als sie eine Hypothese dafür liefern, warum Fischer später paranoid wurde. Letzteres illustriert der Film mit Bildern, in denen der Protagonist im Wahn vermeintlich verwanzte Telefone auseinandernimmt. Der Antikommunismus war gewissermaßen die Keimzelle von Fischers Wahnwelt, der Antisemitismus kam später hinzu.
cia Was den Antikommunismus angeht, ist er sich einig mit dem Anwalt Paul Marshall (Michael Stuhlbarg), der eines Tages den Teenager Fischer anspricht, weil er als Manager für ihn arbeiten will. Marshall hofft, das junge Genie Fischer könnte die sowjetische Dominanz im Schach brechen – und somit die Stärke der freien Welt beweisen. Der Patriotismus Marshalls war derart ausgeprägt, dass sich, wie Regisseur Zwick es formuliert, »bis heute die Frage stellt, ob er mit der CIA zusammenarbeitete«.
Bauernopfer hat die Struktur eines Sportfilms, er lebt unter anderem von Action – am Schachbrett, so widersinnig das klingen mag –, und der Plot läuft mit einem großen Endspiel auf den für das Genre typischen dramaturgischen Höhepunkt hinaus. In diesem Fall ist es die sechste Partie des WM-Matches gegen Spasski, die bis heute als beste in der Geschichte des Schachs gilt. Fischer entwickelte für das Spiel, das die Wende Richtung Gesamtsieg bedeuten sollte, eine Strategie, die alle Experten verblüffte, weil sie mit nichts vergleichbar war, was man zuvor in diesem Sport gesehen hatte.
Der Filmtitel bezieht sich vor allem auf Fischer, der 2008 im Alter von 64 Jahren starb. Als die Briefe, die er an seine Halbschwester Joan (Lily Rabe) schrieb, immer verrückter wurden, wendete sie sich an Marshall und bat ihn eindringlich, Bobby zu einem Psychiater zu schicken. Vor allem, dass er gegen »die Juden«, und damit auch gegen die eigene Familie, wetterte, verstörte sie. Der Manager konnte das Flehen zwar nachvollziehen, aber letztlich half es nichts, denn der Verrückte wurde gebraucht im Kalten Krieg.
Marionette Haben sich Antikommunisten, die ihre Haltung für vernünftig hielten, eines Antikommunisten bedient, den sie für verrückt hielten? Ja, und dennoch: Drehbuchautor Knight reduziert Fischer auf eine Marionette, auf einen genialen Nerd, der das Leben jenseits des Schachbretts nicht bewältigen kann. Hinzu kommt, dass Maguires Performance zu glatt wirkt. Im Vergleich zum historischen Fischer verblasst seine Darstellung. Die scharfkantige Mischung aus Charmeur und diabolischem Spinner, die Fischer in seinen sportlich besten Jahren offenbar darstellte, bekommt er nicht hin.
Nichtsdestoweniger ist das Werk eine fesselnde Mixtur aus Sportfilm und Biopic, Regisseur Zwick gelingt die Balance. Obwohl er Fischers Judenhass – und andere unvorteilhafte Eigenschaften – nicht herunterspielt, ist der Protagonist aufgrund seiner sportlich herausragenden Stellung ein Sympathieträger. Und wenngleich Zwick am Ende in grobkörnigen dokumentarischen Bildern noch Fischers bestürzende Spätphase und dessen Abdriften in vollständige geistige Umnachtung skizziert, verlässt der Zuschauer den Film nicht mit einer negativen Grundstimmung.
Das liegt auch an einigen komischen Sequenzen, die so verrückt sind, dass man zu Unrecht glaubt, sie seien komplett erfunden. So beschwert sich während des WM-Matches in Island der größtenteils abgeklärt wirkende Spasski plötzlich über einen vibrierenden Stuhl und eine zu laut summende Lampe. Spasski also in der Rolle Fischers. Ob der Russe es aber tatsächlich ernst meinte oder nur die Gegenseite verwirren wollte – darüber lässt sich rätseln.
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