Frau Baus, die Sendung »Schabbat Schalom«, die jeden Freitagnachmittag im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR Kultur) ausgestrahlt wird, hat sich vor einigen Wochen neu aufgestellt. Was ist anders geworden?
Die Sendung gibt es schon so lange wie den MDR. Fast 30 Jahre lang hat sie Rabbiner Joel Berger aus Stuttgart gestaltet. Nun hat er aufgehört, und wir haben beschlossen, dass wir die Sendung in einem neuen Format präsentieren. Als wir 1992 mit »Schabbat Schalom« auf MDR Kultur gestartet sind, hat uns Rabbiner Berger aus einer Verlegenheit geholfen, denn die jüdischen Gemeinden in der Region waren damals sehr klein, und es gab vor Ort keine Rabbiner. Aber inzwischen hat sich in Leipzig, Dresden und Halle eine »jüdische Szene« entwickelt. Und es gibt auch eine neue Generation von Rabbinerinnen und Rabbinern, die in Deutschland ausgebildet worden sind. Wir möchten diesen Menschen eine Stimme geben und die neue Vielfalt zeigen, denn die neuen Autorinnen und Autoren gehören ja durchaus unterschiedlichen Richtungen des Judentums an. Wir wollen zeigen: Jüdisches Leben ist selbstverständlich in Mitteldeutschland. Unter unseren Autoren haben einige noch gar keine Radioerfahrung. Wir haben eine gebürtige Leipzigerin, andere Autoren stammen aus Ungarn oder der Ukraine. Zu zeigen und hörbar zu machen, was jüdische Religion und Kultur ausmacht – das ist uns wichtig.
Aus Erfurt ist Rabbiner Alexander Nachama dabei, aus Leipzig Rabbiner Zsolt Balla, aus Halle Rabbiner Elischa Portnoy, aus Chemnitz die Gemeindevorsitzende Ruth Röcher – also sowohl Liberale als auch Orthodoxe. Gibt es da eine Art Proporz, oder geht es einfach darum, dass die aktiven Gestalter von »Schabbat Schalom« im Sendegebiet leben?
Wir freuen uns über jeden, der Interesse hat, mitzumachen. Viele sind auch anderweitig stark beschäftigt – wie Rabbiner Zsolt Balla, der seit Juni auch als Militärbundesrabbiner tätig ist. Wir haben Männer und Frauen an Bord und sind auch nicht ganz so streng wie andere ARD-Anstalten – wir lassen sowohl Rabbiner als auch Religionslehrer zu Wort kommen. Wichtig ist, dass die Teilnehmer theologisch ausgebildet sind.
Wie lange dauert die Sendung?
Die Beitragslänge ist vier Minuten für die Auslegung des Wochenabschnitts der Tora – oft auch eingeleitet mit einem hebräischen Bibelzitat, bevor der deutsche Teil beginnt. Anschließend gibt es einen Musiktitel, gerne auf Empfehlung desjenigen, der die Sendung gestaltet. Für unsere Hörer ist sicherlich die Vielstimmigkeit der Interpretationen interessant.
Kommt das regionale Konzept gut an? Können Sie das in Quoten messen?
Nein, im Hörfunk können wir keine Quoten für einzelne Sendeplätze erheben. Wir haben erst im September mit dem neuen Konzept begonnen. Einige Hörer haben rückgemeldet, dass sie die neue Vielfalt schön finden. Es gibt aber auch Hörer, die zunächst Rabbiner Berger vermisst haben – er hatte einen eigenen Fan-Kreis.
Im Gegensatz zu anderen jüdischen Sendungen – wie etwa im Norddeutschen Rundfunk auf NDR Info oder im Deutschlandfunk – gibt es aber bei »Schabbat Schalom« im MDR keine journalistischen Beiträge?
Unabhängig von der Sendung haben wir im Radio auf MDR Kultur und MDR Aktuell ja immer schon über jüdisches Leben in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt berichtet. Im Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« haben wir die Berichterstattung intensiviert, weil in den drei Bundesländern auch überraschend viel passiert. Es gibt sehr viele regionale Entwicklungen und Initiativen. Unsere Aktivitäten haben wir übrigens auf der Online-Seite zum jüdischen Leben in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gebündelt. In Zukunft würden wir aber gerne gelegentlich auch im Umfeld von »Schabbat Schalom« einen journalistischen Beitrag platzieren.
Kann auch jemand, der vom Judentum überhaupt keine Ahnung hat, vom Hören der Sendung profitieren?
Ich glaube, das erschließt sich. Unser Jingle heißt »Schabbat Schalom – Gedanken zum Wochenabschnitt der Tora«. Der Moderator kündigt dann an, von wem diese Gedanken kommen, und dann legt derjenige los. Alle Autorinnen und Autoren sind sich bewusst, dass sie auch für ein nichtjüdisches Publikum schreiben. In der Umsetzung ist das durchaus unterschiedlich akzentuiert. Die inhaltliche Hoheit liegt komplett bei den jüdischen Gemeinden, aber wir lesen die Texte natürlich gegen, und wenn es Stellen und Passagen gibt, die wir unverständlich finden, dann geben wir eine Rückmeldung zum Manuskript.
Im Gegensatz zu manchen anderen jüdischen Sendungen kann »Schabbat Schalom« mit einer Sendezeit um 15.45 Uhr das ganze Jahr über auch von orthodoxen Juden live gehört werden. War das Absicht?
Wir haben schon vor 30 Jahren extra diese Zeit ausgesucht, weil im Dezember in Halle an der Saale die Sonne kurz vor 16 Uhr untergeht.
Mit der Redakteurin für Religion und Chefin vom Dienst von MDR Kultur Radio sprach Ayala Goldmann