Die größte wissenschaftliche Herausforderung unserer Zeit scheint es zu sein, andere Planeten zu erreichen und zu besiedeln. Aber können wir Mond und Mars wirklich beherrschen? Können wir genügend Material zum Bau von Siedlungen und Sauerstoff zum Atmen da hinaufkarren? Und wenn ja: Wann? Und für wie viel fliegt easyJet dahin?
Am 20. Juli 1969 betrat Neil Armstrong als erster Mensch an Bord der Mondmission »Apollo 11« einen anderen Planeten. »Apollo 12« setzte noch im selben Jahr Astronauten am Landeplatz der Sonde »Surveyor 3« ab. »Apollo 14« brachte 1971 das berühmte »Mondauto« mit. 1972 fand mit »Apollo 17« die bisher letzte bemannte Mondlandung statt. Die Missionen waren schlicht zu teuer.
Abhilfe scheint nun das israelische Start-up Helios schaffen zu wollen. »Die Vision von Helios ist es, den Menschen zum Multi-Planeten zu machen. Die Trägerraketen werden ständig verbessert, und die Lander sind fast einsatzbereit. Der nächste Schritt in der Kette ist die Entwicklung von Technologien, mit denen Ressourcen vor Ort genutzt werden können, um zunächst die Kosten für die Ersteinrichtung drastisch zu senken und es schließlich den Kolonisten zu ermöglichen, ›vom Land zu leben‹«, heißt es vollmundig auf der Website des Unternehmens.
Partnerschaft Um diesem Ziel ein Stück näherzurücken, kündigte das Weltraumtechnologie-Start-up eine strategische Partnerschaft mit dem Unternehmen Eta Space aus Florida an. Gemeinsam könne man es bewerkstelligen, Sauerstoff auf dem Mond zu erzeugen und zu lagern, sind sich die Unternehmen sicher. Das wiederum könne zukünftige Weltraumflüge kosteneffizienter und überhaupt erst möglich machen.
Die futuristisch anmutende Lösung präsentiert Helios auf seiner Website gleich mit: »Das Sammeln, Herstellen und Lagern von Materialien vor Ort ist der einzige Weg zur Verwirklichung der Vision eines nachhaltigen menschlichen Lebens auf Mond und Mars. Warum? Weil die Kosten für den Transport von Ausrüstungen und Materialien wie Sauerstoff in den Weltraum zur Verwendung auf extraterrestrischen Basen extrem hoch sind.«
Denn eines der Haupthindernisse für die Entsendung von Missionen zum Mond sind die Kosten für den Transport von Gegenständen zur Mondoberfläche. Der Start von Raketen mit Fracht erfordert viel Treibstoff, und je schwerer die Fracht, desto mehr Treibstoff wird benötigt. Zusätzlicher Treibstoff aber erhöht wiederum das Gewicht. Es kostet mehrere Hunderttausend Dollar pro Kilogramm, etwas zum Mond zu transportieren – was langfristige Missionen wirtschaftlich unrentabel mache, wenn der Sauerstoff nicht auf dem Mond produziert werden könne, so Helios. Sauerstoff ist auch ein wichtiger Bestandteil der Treibstoffverbrennung.
»Die Helios-Technologie ermöglicht es, stattdessen die riesigen Mengen an Sauerstoff und Metallen zu nutzen, die im Boden von Mars und Mond vorhanden sind. Der Sauerstoff wird gespeichert, und die Metalle werden zum Bau der Infrastruktur für künftige Mond- und Marsbasen verwendet«, informiert das Unternehmen weiter.
Der Wettlauf zu Mond und Mars hat längst begonnen – vor allem im privaten Sektor.
Helios wurde 2018 gegründet. Das Start-up mit Sitz in Tzur Yigal in Zentralisrael hat nach eigenen Angaben bereits einen elektrochemischen Reaktor entwickelt, der Sauerstoff aus Mondregolith gewinnen kann. Das Gemisch aus Erde, Staub und losem Gestein müsse man nur einsammeln. Bei dem unter mondähnlichen Bedingungen getesteten Verfahren, der Regolith-Elektrolyse, wird der Mondboden bei 1600 Grad Celsius geschmolzen und es entsteht Sauerstoff. Helios verwendet dazu bisher mondähnlichen Sand, der von der University of Central Florida auf der Grundlage von Mondproben entwickelt wurde.
ergänzung Der Deal mit Eta Space könnte wegweisend sein. Das Unternehmen mit Sitz unweit des Kennedy Space Center und der Cape Canaveral Space Force Station ist im Bereich der Kryotechnologien führend. Gemeinsam wollen sie nun eine Anlage zur Produktion von Sauerstoff auf dem Mond entwickeln.
»Eta Space würde die wichtige Aufgabe übernehmen, den vom Helios-Reaktor produzierten Sauerstoff zu verflüssigen und in kryogenen Tanks zu lagern«, erklärte William Notardonato, Gründer und Vorsitzender von Eta Space, gegenüber israelischen Medien. »Die beiden Unternehmen ergänzen sich in ihrer Mission, die Kosten im Weltraum weiter zu senken, ein wichtiger Schritt, um die Präsenz jenseits der Erde nachhaltig zu gestalten«, sagte der ehemalige Mitarbeiter der NASA.
Die Möglichkeiten von Helios allein reichten indes nicht aus, um eine permanente Mondbasis zu errichten, räumt Jonathan Geifman, Mitbegründer von Helios, ein: »Eine ganze Reihe von Technologien ist erforderlich, um die wirtschaftliche Wertschöpfungskette auf dem Mond zu realisieren. Diese neue Zusammenarbeit mit Eta Space wird zum ersten Mal zwei rein kommerzielle Glieder in der Kette verbinden – die Produktion und die Lagerung von Sauerstoff – und damit mehrere und langfristige Missionen zum Mond näher an die wirtschaftliche Realisierbarkeit bringen.«
Mondbasis Der Wettlauf zu Mond und Mars hat längst begonnen – vor allem im privaten Sektor. Die Milliardäre Jeff Bezos, Elon Musk und Richard Branson übertrumpfen sich seit Jahren in der Raumfahrttechnologie. Für die Errichtung einer Mondbasis oder für wiederkehrende Mondbesuche, wie sie von privaten Raumfahrtunternehmen wie SpaceX (Elon Musk) für das nächste Jahrzehnt geplant sind, könnten jährlich Tausende von Tonnen Sauerstoff als Raketentreibstoff benötigt werden. Genug Bedarf also.
Helios rüstet sich, an diesem durchaus lukrativen Wettlauf teilzuhaben. Das Unternehmen wird von der israelischen Raumfahrtbehörde und dem Energieministerium finanziell unterstützt und wurde unlängst mit einem Startkapital von sechs Millionen Dollar ausgestattet – unter der Leitung von At One Ventures, einer Investmentfirma, die sich für die Natur einsetzt, und Doral Energy-Tech Ventures aus Israel. Die Deep-Tech-Investmentfirma Metaplanet beteiligte sich ebenfalls.
Im vergangenen Jahr unterzeichnete Helios einen Vertrag mit dem europäischen Technologiekonzern OHB mit Sitz in Bremen über die Lieferung seiner Technologie zur Herstellung von Sauerstoff und Metallen auf dem Mond an Bord des Mondlandesystems LSAS (Lunar Surface Access Service). Die Technologie von Helios soll bei den ersten drei LSAS-Missionen zur Mondoberfläche bereits ab 2025 mitfliegen, um sie unter realen Bedingungen zu testen.
In spätestens zehn Jahren will SpaceX gar zum Mars fliegen, kündigte der Milliardär Elon Musk an. Wie realistisch das ist, steht noch in den Sternen. Aber technisch gesehen ist vieles bereits jetzt machbar – solange sich jemand findet, der dafür zahlt.