Völlig überraschend ist Bernhard Purin, Direktor des Jüdischen Museums München, am 18. Februar verstorben. Er hinterlässt eine große Trauergemeinde von Kollegen und Kolleginnen aus Museumskreisen, Judaika- und Provenienzforschung. Ausstellungen, die Purin zu verantworten hatte, konnten große Zusammenhänge darstellen, wie die bis 17. März laufende Schau München Displaced – Der Rest der Geretteten belegt. Ein Thema, das ihn seit seiner Berufung zum Gründungsdirektor des Jüdischen Museums München 2002 immer wieder beschäftigte.
Doch ebenso interessierten ihn Sammlungen. Darum begann er im März 2007 mit der Eröffnungsausstellung Die jüdische Welt und die Wittelsbacher, einer »frühen Geschichte des Sammelns von Jüdischem, das immer auch eine Geschichte von Aneignung und Enteignung war«. Derzeit laufen die Vorbereitungen für das nächste große Vorhaben, die Ausstellung Münchner Jüdinnen und Juden im Porträt, die am 17. April eröffnet werden sollte. Und nun Stillstand, Schockstarre: Der leise, doch stets zielsicher und gern auch nonkonformistisch denkende Chef des in Quadratmetern gerechnet – im Vergleich zu den Jüdischen Museen in Berlin, Frankfurt und Wien – kleinen Jüdischen Museums in München ist nicht mehr.
Am 6. Oktober 2023 war Bernhard Purin 60 Jahre alt geworden, hatte Pläne, konnte aber auch schon auf ein ansehnliches Schaffen zurückblicken. Der gebürtige Bregenzer soll schon als Schüler mit der Kamera das damals noch nicht erschlossene jüdische Viertel von Hohenems durchstreift haben. Von 1985 bis 1990 studierte er Empirische Kulturwissenschaft und Neuere Geschichte in Tübingen und arbeitete 1990/91 am Aufbau des Jüdischen Museums Hohenems mit. Von 1992 bis 1995 wirkte Purin als Kurator am neu gegründeten Jüdischen Museum Wien. Die Ausstellung Beschlagnahmt. Die Sammlung des Wiener Jüdischen Museums nach 1938 wurde möglich, weil Purin während eines Forschungsaufenthalts an den »Central Archives for the History of the Jewish People« in Jerusalem das Inventarbuch des Jüdischen Museums fand und so die Vorkriegssammlung rekonstruiert werden konnte. Es war ein bahnbrechendes Projekt für Fragen der Provenienz und Restitution enteigneten jüdischen Guts.
Purin hatte seine eigene Art, Münchner Historie zu erzählen
1995 ging Purin nach Fürth. Er schaffte es, das Jüdische Museum Franken mit Dependancen in Fürth und Schnaittach in kürzester Zeit mit unkonventionellen Ausstellungsprojekten wie Feinkost Adam, satirischen Kommentaren zu klassischen Themen, bekannt zu machen. Wo immer er auch landete, gelangen ihm Funde, entdeckte er verloren geglaubte Objekte, die er nicht nur in Auktionskatalogen ausfindig zu machen wusste. Endgültig niedergelassen hat Purin sich 2002 mit dem Umzug nach München und stellte dort gleich mit seinem ersten mehrteiligen Projekt Sammelbilder – unter anderem zu Pringsheim, Thannhauser, Wallach – unter Beweis, wie vielseitig, manchmal auch prächtig sich jüdisches Leben in München bis zum Anbruch der NS-Zeit entfaltet hatte
Purin pflegte den Kontakt zu Sammlern. So erhielt das Museum 2021 Familienporträts, von Lenbach gemalt, aus dem Besitz der Kunsthändler-Familie Bernheimer.
Purin hatte seine eigene Art, Münchner Historie zu erzählen, großartig unter Beweis gestellt mit dem Projekt Bier ist der Wein dieses Landes. Jüdische Braugeschichten. Der akribische Rechercheur räumte bei dieser Gelegenheit mit der Legende auf, das Hofbräuhaus sei von jüdischen Architekten erbaut worden. Maßgeblich beteiligte er sich an dem 2017 fertiggestellten Erinnerungsort für die Opfer des Olympia-Attentats im Olympia-Gelände und entwickelte mit seinem Team und in Kooperation mit einer Vielzahl anderer Institutionen vom Freilichtmuseum bis zum Sportgelände 2022 das Jahresprojekt »Zwölf Monate – Zwölf Namen«, das jeden Monat einen der 1972 Ermordeten vorstellte.
Die Stimme Bernhard Purins mit ihrem weichen, melodiösen Vorarlberger Klang wird künftig fehlen.