Drei Monate nach dem Ende der documenta in Kassel ziehen zwei Mitglieder des indonesischen Künstlerkollektivs ruangrupa trotz der zahlreichen Judenhass-Skandale eine überwiegend positive Bilanz. »Dass in der Öffentlichkeit vor allem über Antisemitismus gestritten wurde, ist nichts, was ich bedaure - es ist wichtig!«, sagte Reza Afisina im Interview der Wochenzeitung »Die Zeit«.
Sein Kollege Iswanto Hartono ergänzte: »Wenn ich etwas bedauere, dann nicht für uns, sondern für die Deutschen. Es ist schade, dass für sie viele andere Themen der documenta in den Hintergrund geraten sind.« Dass die Debatte monatelang auf dem Rücken der jüdischen Gemeinschaft ausgetragen wurde und die etlichen judenfeindlichen Vorfälle auf der documenta ein Schlag ins Gesicht für Juden waren - darauf gingen Hartono und Afisina nicht ein.
Mehrere Arbeiten eingeladener Künstler waren auf der von ruangrupa kuratierten documenta wegen massiver Antisemitismus-Skandale aus der Ausstellung entfernt worden, darunter ein monumentales Banner der Gruppe Taring Padi und ein Videokonvolut der Gruppe Subversive Film.
Afisina und Hartono haben im Oktober eine Gastprofessur an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg angetreten. Die Auffassung, die Indonesier seien nicht genug vorbereitet gewesen auf deutsche Geschichte und die daraus resultierenden Debatten, teilen die beiden nicht.
»Das Ziel kann nicht sein, dass wir beigebracht bekommen, Rücksicht auf Antisemitismus als ein spezifisch deutsches Problem zu nehmen, sondern dass wir gemeinsam lernen, Antisemitismus als globales Problem zu erkennen. Wir haben jetzt verstanden, dass wir uns mit der Geschichte des Antisemitismus in der Welt und auch in Indonesien befassen müssen«, sagte Afisina.
Hartono ergänzte, es machte keinen Sinn, Kuratoren aus dem Ausland einzuladen und ihnen dann erst mal zu erklären, was gehe und was nicht. »Wenn Sie auf der documenta nur die deutsche Perspektive haben wollen, brauchen Sie keine internationalen Kuratoren zu holen. Laden Sie einfach Deutsche ein: deutsche Kuratoren, deutsche Künstler, keine Probleme, keine Diskussion. Aber wenn Sie ein internationales Format wollen, dann müssen wir diskutieren.« dpa/ja