Faktencheck

Rothschilds und die Medien

Mayer Amschel Rothschild (1744–1812), gemalt von Daniel Oppenheim Foto: picture-alliance / akg-images

Faktencheck

Rothschilds und die Medien

Die jüdische Familie Rothschild ist regelmäßig antisemitischer Hetze ausgesetzt. Dieses Mal geht es um ihren vermeintlich riesigen Einfluss auf die Medien: Ein Familienmitglied besitze angeblich die Nachrichtenagentur Reuters - und Reuters besitze wiederum die Nachrichtenagentur Associated Press (AP)

 29.06.2022 07:52 Uhr

Die Besitzverhältnisse von Medienunternehmen könnten Einfluss auf die Berichterstattung haben. Daher werden sie immer wieder Thema von Spekulationen. Oft völlig grundlos, wie im Fall der Nachrichtenagenturen Reuters und Associated Press (AP).

Die jüdische Familie Rothschild ist regelmäßig antisemitischer Hetze ausgesetzt. Dieses Mal geht es um ihren vermeintlich riesigen Einfluss auf die Medien: Ein Familienmitglied besitze angeblich die Nachrichtenagentur Reuters - und Reuters besitze wiederum die Nachrichtenagentur Associated Press (hier archiviert).

Bewertung

Das ist falsch. Reuters gehört zum Medienkonzern Thomson Reuters. Associated Press (AP) ist eine unabhängige Nachrichtenagentur, sie gehört US-amerikanischen Zeitungen und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

Fakten

Die Rothschilds sind eine jüdische Bankiersfamilie, die im europäischen Bankengeschäft großen Einfluss hatte und vor allem im 19. Jahrhundert wirtschaftlich sehr erfolgreich war. Mit den Nachrichtenagenturen Reuters und Associated Press (AP) hat sie jedoch nichts zu tun.

Reuters ist Teil von Thomson Reuters. Der Medienkonzern entstand 2008 mit der Übernahme der Nachrichtenagentur durch die kanadische Thomson Corporation. Wie sich dem Geschäftsbericht von 2021 entnehmen lässt, hält die Woodbridge Company Limited etwa 67 Prozent der Stammaktien des Unternehmens. Das Unternehmen ist die Beteiligungsgesellschaft der Familie Thomson. David Thomson ist Vorstand beider Firmen. Die Liste der zehn größten Aktionäre von Thomson Reuters ist auf der Finanznachrichten-Webseite »MarketScreener« einsehbar - darunter ist kein Mitglied der Familie Rothschild.

Im jährlichen Bericht von Thomson Reuters wird zudem erwähnt, dass Associated Press einer der Hauptkonkurrenten von Reuters sei. Besäße Reuters die AP, stünden die beiden Nachrichtenagenturen nicht in einem Konkurrenzverhältnis zueinander. AP ist also weder im Besitz von Reuters noch der Rothschilds.

Das International Fact-Checking Network erläutert, dass es sich bei AP um eine unabhängige gemeinnützige Nachrichtenorganisation handelt, die US-amerikanischen Zeitungen und Rundfunkanstalten gehört. Die US-Agentur gab gegenüber den Faktencheckern von »Check Your Fact« und »Full Fact« an, dass Reuters nichts mit ihr zu tun habe.

Eine Pressesprecherin von Reuters bestätigte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage, dass Reuters eine unabhängige Nachrichtenorganisation sei und als Teil des Medienkonzerns Thomson Reuters agiere, das sich zum Großteil im Besitz der Woodbridge Company befinde. »Reuters und Thomson Reuters stehen in keinerlei Verbindung mit der Familie Rothschild«, so die Sprecherin.

Mehrere dpa-Faktenchecks (etwa dieser und dieser) sowie ein Bericht der EU-Kommission über Antisemitismus zeigen, dass über die Familie Rothschild und deren Namen extrem häufig übelste antisemitische Verschwörungserzählungen verbreitet werden - etwa dass eine Elite im Geheimen das Weltgeschehen kontrolliere. dpa

(Stand: 27.6.2022)

Links

Über die Familie Rothschild (archiviert)

archivierte Pressemitteilung Thomson Reuters (2008)

Geschäftsbericht Thomson Reuters von 2021 (archiviert)

Thomson Reuters-Webseite (archiviert)

Auflistung der Aktionäre von Thomson Reuters (archiviert)

Webseite des International Fact-Checking Networks (archiviert)

»Check Your Fact«-Faktencheck (archiviert)

»Full Fact«-Faktencheck (archiviert)

Bericht der EU-Kommission über Anstieg von Antisemitismus online während Corona-Pandemie (archiviert)

Landeszentrale Baden-Württemberg zu (antisemitischen) Verschwörungserzählungen (archiviert)

Facebook-Post mit Falschbehauptung (archiviert)

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«- Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  25.04.2025

100 Jahre "Der Prozess"

Was Kafkas »Der Prozess« mit KI und Behörden-Wirrwarr gemeinsam hat

Seine Liebesworte gehen auf TikTok viral. Unheimlich-groteske Szenen beschrieb er wie kein Zweiter. In Zeiten von KI und überbordender Bürokratie wirkt Franz Kafkas Werk aktueller denn je - eben kafkaesk

von Paula Konersmann  25.04.2025

Reykjavik

Island fordert Ausschluss Israels vom ESC

Das Land schließt sich damit der Forderung Sloweniens und Spaniens an. Ein tatsächlicher Ausschluss Israels gilt jedoch als unwahrscheinlich

 25.04.2025

Popkultur

Israelfeindliche Band Kneecap von zwei Festivals ausgeladen

Bei Auftritten verbreiten die irischen Rapper Parolen wie »Fuck Israel«. Nun zogen die Festivals Hurricane und Southside Konsequenzen

von Imanuel Marcus  25.04.2025

Berlin/Brandenburg

Filmreihe zu Antisemitismus beim Jüdischen Filmfestival

Das Festival läuft vom 6. bis 11. Mai

 25.04.2025

Fernsehen

Ungeschminkte Innenansichten in den NS-Alltag

Lange lag der Fokus der NS-Aufarbeitung auf den Intensivtätern in Staat und Militär. Doch auch viele einfache Menschen folgten der Nazi-Ideologie teils begeistert, wie eine vierteilige ARD-Dokureihe eindrucksvoll zeigt

von Manfred Riepe  24.04.2025