Der Rapper Massiv legt seinen Mundschutz an. Es folgt ein kurzer Wink mit dem Kopf, dann dürfen die Schlange stehenden Wartenden eintreten, und dann wird getanzt.
Die Drogeriekette Rossmann erzeugt mit ihrem neuen Werbespot ein ungewohntes Clubfeeling im Drogeriemarkt, und sie trifft damit einen Nerv (meinen zumindest).
Der Werbespot ist gut gemacht. Besser noch: Mit jedem Like für das Video wird die stark bedrohte Berliner Clubszene von Rossmann finanziell unterstützt.
Wem gelingt es in Krisenzeiten wie diesen schon derart überzeugend, den Begriff Corporate Social Responsibility zu veranschaulichen?
Eine rundum gelungene Aktion also? Nicht ganz.
Mit Massiv (alias Wasiem Taha) wurde zwar ein Künstler ausgewählt, der spätestens seit der Erfolgsserie 4Blocks einem größeren Publikum bekannt ist. Doch es ist genau diese Wahl, die etwas näher beleuchtet werden muss.
Massiv ist ein in Pirmasens geborener »Wahl-Weddinger« mit palästinensischen Wurzeln. Mit Songs wie »Blut gegen Blut« oder dem »Ghettolied« gelangte er zu Ruhm.
Doch einige seiner Songtexte sind kritikwürdig. 2015 sang er, dass man Hausverbot in Tel Aviv habe, weil man auf »Familien schießen und Sprengstoffgürtel tragen« würde. Jahre zuvor gab es bereits eine Debatte um den Rapper, als das Goethe-Institut ihn zum Friedensbotschafter für die palästinensischen Gebiete ernennen wollte. Dort sollte er Jugendlichen beibringen, wie man gewaltfrei lebt.
Auf Twitter setzte sich der ehemalige WELT-Journalist Martin Niewendick, früher selbst einmal Rapper, nun mit einem älteren Massiv-Post auseinander. Darin behauptet der Rapper, Israelis seien am 11. September 2001 nicht zur Arbeit erschienen – ein altbekanntes verschwörungstheoretisches Chiffre.
Deswegen hätte beim Rossmann-Casting auch gelten sollen: Massiv ist nicht der Richtige für so einen Werbespot. Mit Massiv wirbt man nicht, auch wenn es so gut aussieht.
Ja, sowohl Rossmann als auch der Rapper haben mittlerweile Statements abgegeben, in denen sie sich vom Antisemitismus und allen Formen des Hasses distanzieren.
Für Niewendick war die Sache damit erledigt - und tatsächlich muss man in diesem Fall attestieren, dass bei Massiv in den letzten Jahren eine gewisse Einsicht erkennbar war, jedenfalls seit 2015.
Man darf Rossmann und sogar Wasiem Taha ruhig Respekt zollen dafür, dass sie Gutes tun, zum Beispiel für die Clubszene, und dass sie uns per Werbung auch noch zum Lachen bringen wollen. Beide Seiten waren wohl vorbereitet auf die Kritik: Die Schnelligkeit und die Art und Weise, wie auf Twitter geantwortet wurden, deuten darauf hin. Und so wurde eine mögliche Kontroverse schon im Ansatz unterbunden.
Wir wurden wohl gerade Zeugen der kürzesten und leisesten Debatte im Deutschrap. Genaugenommen fand sie gar nicht statt.