Sprachgeschichte(n)

Rochus und broches

Beziehungsknatsch: Sie ist ihm eindeutig brojges. Foto: Thinkstock

Die früher verbreitete Wendung »einen Rochus (auf etwas oder auf jemanden) haben« wird noch heute regional im westmitteldeutschen Raum gebraucht und bedeutet: sich über etwas ärgern, eine Wut auf jemanden haben. Im Ruhrgebiet gilt der Spruch: »Beim Zocken krisse keinen Rochus wenn allet toffte läuft.«

Ins Hochdeutsche gelangte »Rochus« über das Rotwelsche, in dem es seit Ende des 19. Jahrhunderts vorkam. Im Münsterschen Unterschichtsdialekt, der Masematte, hieß es: »Er hat hamel rochus auf seine alsche« (er hat eine große Wut auf seine Frau), das Manische, ein Randgruppendialekt in Mittelhessen, formulierte: »Hui, was had er ’n rogus!« (Hui, was ist er zornig!)

Beide Wörter basieren auf dem Jiddischen. Dort findet man auch die Varianten »roches«, »rauches«, »rauges« oder »roges« für Ärger oder Zorn.

tanach Die hebräischen Quellen (im Tanach bei Hiob 37:2 und Habakuk 3:2) sind »rogez« (Groll, Hader), »ragaz« (erzürnen) und »hitragez« (sich ärgern). Das Jiddische griff sie als Nomina und Verb auf. So ist der Jähzornige ein »balrágsen«, und unter den Komposita mit »ponem«, bei denen Letzteres als pars pro toto für den Menschen steht, heißt der Wüterich »rigseponem«. Das entsprechende Verb wird transitiv wie reflexiv benutzt: »Das raugest ihn« (macht ihn wütend) oder »er raugest sich« (ärgert sich).

Das hebräische »b’rogez« (im Zorn = zerstritten sein) führte zum prädikativ verwendeten jiddischen Adjektiv »brójges« (zornig/beleidigt). »Bistu mit mir brójges, veys ich nicht for vos«, sang 1981 der rumänische Musiker Dorel Livianu im Radiosender Kol Israel. Bei Karl Kraus sagt der kaiserliche Rat im Drama Die letzten Tage der Menschheit (1919): »Sie spielen darauf an, dass Lloyd George broiges wird mit Clémenceau.« Noch heute äußert der Pfälzer, wenn Personen miteinander verkracht sind: »Die sein broches merrenanner.« Und Leo Rosten witzelt in seinem deutsch 2002 erschienen Kompendium Jiddisch – Eine kleine Enzyklopädie, dass, wenn man nicht ganz so wütend ist, »man freilich immer noch berójgeslech (ein wenig verstimmt) sein« kann.

Auch »brójges« kam in etlichen Formen vor, als »brauges«, »brauches«, »broges« oder »broches«. »Er ist brauges mit dem lieben Gott«, hörte man, wie Weinberg (Die Reste des Jüdischdeutschen, 1969) verrät, »scherzhaft von jemandem, der die Synagoge nicht besuchte, weil er den Rabbiner oder Vorbeter nicht leiden konnte oder sonst mit der Gemeinde entzweit war«.

Columbia University

»Eine große Gefahr für den Westen«

Der Hochschullehrer Ran Kivetz über anti-israelische Proteste, Morddrohungen gegen jüdische Dozenten und mögliche Folgen für die liberale Demokratie

von Detlef David Kauschke  05.01.2025

Kulturkolumne

Warum ich für meine Familie zwei WhatsApp-Gruppen brauche

Beide Gruppen nerven mich – und doch ist es gleichzeitig alles andere als selbstverständlich, mit allen in Echtzeit so kommunizieren zu können

von Laura Cazés  05.01.2025

Aufgegabelt

Heringssalat mit Roter Bete

Rezepte und Leckeres

 05.01.2025

2024

Hebräischer Vorname ist am beliebtesten bei deutschen Eltern

Gerade unter den beliebtesten Jungennamen sind einige biblischen Ursprungs

 03.01.2025 Aktualisiert

Filmbiografie

Erfolg in Blau - Miniserie über Levi Strauss

Die Jeans von Levi’s sind weltbekannt – doch wer kennt die Geschichte ihrer jüdischen Erfinder? Ein ARD-Mehrteiler erzählt von Levi Strauss und Jacob Davis

von Kathrin Zeilmann  03.01.2025

Debatte

Musk-Beitrag in der »Welt«: Idee kam von Springer-Aufsichtsrat

Die Hintergründe

 03.01.2025

Familie

»Ich vertraue deinem Gewissen«

Die 18-jährige Tochter des israelischen Schriftstellers Eshkol Nevo wird zum Wehrdienst eingezogen – auf eigenen Wunsch in eine Kampfeinheit. Der Vater schreibt ihr einen Brief

von Eshkol Nevo  03.01.2025

Gaza

Von der Welt vergessen

Seit 455 Tagen befindet sich das israelische Kleinkind Kfir Bibas mit rund 100 anderen Geiseln in der Gewalt der Hamas. Wo bleibt der Aufschrei?

von Georg M. Hafner  03.01.2025

Imanuels Interpreten (3)

Allee Willis: Die bekannteste Unbekannte

Sie ist die Unbekannte hinter Songs, von denen einige die Welt im wahrsten Sinne des Wortes bewegt haben. Ihr Motto: »Der Text darf nie mit dem Groove kollidieren.«

von Imanuel Marcus  03.01.2025