Ein Mann besucht die Jerusalemer Gerichtsmedizin, um ein Opfer des letzten Bombenanschlags zu identifizieren: »Welches Attentat?«, fragt der Pathologe, »das in der Pizzeria oder das am Marktplatz?« Absurdität des israelischen Alltags zu Zeiten der großen Terrorwelle Anfang des Jahrtausends.
Die Szene stammt aus Eran Riklis’ Die Reise des Personalmanagers, der diese Woche in die Kinos kommt. Etliche solch hübsch frecher Witze an der Grenze zur Geschmacklosigkeit – und darum sehr treffend, um geschmacklose Sachverhalte aufzuhellen – bietet der Film. Nochmal im Leichenschauhaus: Der Besucher sucht den für ihn zuständigen Ansprechpartner,
guckt in verschiedene Zimmer hinein, aber findet immer nur Tote. Plötzlich bewegt sich einer von ihnen, richtet sich auf: Einer der Pathologen hat auf einer Bahre unterm Leichentuch ein Nickerchen eingelegt.
brav Sonst allerdings ist der Film nach der gleichnamigen Romanvorlage von Abraham B. Jehoschua eher brav und von jener gepflegten lauwarmen »Warmherzigkeit« aus der Retorte, wie sie den derzeitigen Arthouse-Mainstream dominiert und auf Festivals zu viele Preise gewinnt. Männer, die irgendwie zu hart und zu kalt sind, und an einen möglichst entlegenen, skurrilen Ort reisen müssen, wo sie lustig-kauzige Menschen kennenlernen, verführerische Frauen vielleicht noch etwas besser, um dann heimzukehren, und, aufgetaut und geläutert, bei ihrer Familie zu sitzen. Riklis’ neuer Film gehört immerhin eindeutig zu den besseren Exempeln dieser Gattung.
Die Hauptfigur, der Personalchef von Jerusalems größter Bäckerei, bleibt bis zum Schluss des Films namenlos. Normalerweise besteht sein Job aus öder Schreibtischarbeit am Computer. Störungen im Betriebsablauf sind da zu beheben, vielleicht mal ein paar Leute zu versetzen oder zu entlassen. Eines Tages wird der »Human Resources Manager« kurz vor Betriebsschluss zu seiner Chefin gebeten.
Die erzählt ihm von einem höchst unangenehmen Zeitungsartikel, dem er nachgehen und zu dem er einen öffentlichen Entschuldigungsbrief formulieren soll: Yulia P., eine osteuropäische Beschäftigte der Bäckerei, ist bei einem Selbstmordattentat ermordet worden. Sie wurde bereits vor einem Monat entlassen, doch offiziell ist sie noch Angestellte – merkwürdige Diskrepanzen, die ein windiger Sensationsreporter mit Spitznamen »Wiesel« zulasten der Firma ausschlachten will.
zu witzig Öffentlichkeitswirksam soll nun der Sarg der Toten in ihre Heimat überführt werden, begleitet von dem genervten Personalmanager und dem Journalisten. Die Reise geht in ein namenloses osteuropäisches Land – gedreht wurde in Rumänien –, das man »Kusturica-Land« nennen könnte. Die Landschaften sind schön und pittoresk, die Leute originell, laut, trinkfest und entweder, trotz elender Lebensverhältnisse, grundlos fröhlich, oder reich und korrupt. Am Ende war wieder einmal der Weg das Ziel, der Personalmanager kann geläutert heimkehren – übrigens in einem Panzer, wie in der literarischen Vorlage.
Regisseur Eran Riklis, geboren 1954 in Jerusalem, ist in Deutschland kein Unbekannter. In Die syrische Braut und Lemon Tree machte er erfolgreich Frauenschicksale in Israel zum Thema. Die Reise des Personalmanagers überzeugt, wenn es ernst wird und der Film sich zur Melancholie seiner Figuren bekennt.
Dann wirkt er wie eine Aktualisierung von Figuren aus Camus’ Der Fremde, zwischen Alltagsnihilismus und Gleichgültigkeit. Würde der Film nicht versuchen, so verdammt witzig zu sein und permanent nach seinem Publikum zu schielen, als ob es Fernsehzuschauer wären, die wegzappen könnten – aber das geht ja im Kino noch nicht –, dann wäre er richtig gut.