Eigentlich hatten wir 2021 alles nachholen wollen: vor allem die Reisen, die der überraschend über uns alle hereingebrochenen Pandemie zum Opfer fielen. Natürlich die erste gemeinsame New-York-Visite; selbstverständlich den Antrittsbesuch beim Cousin, der im Jahr zuvor nach London gezogen war; über jeden Zweifel erhaben, den mittlerweile zur Tradition gewordenen gemeinsamen Israel-Trip; von Sankt Petersburg ganz zu schweigen, wo wir diverse Familienmitglieder besuchen und die legendären »Weißen Nächte« erleben wollten.
Das Jahr 2021 hatte aber andere Pläne mit uns. Die Hartnäckigkeit und Wandlungsfähigkeit des Virus und ein unglücklicher Sturz vom Fahrrad machten uns einen dicken Strich durch die Reise-Rechnung. Und so kamen wir nicht über einen Tagesausflug nach Luxemburg hinaus, wenn man einmal von vereinzelten Berlin-Besuchen und dem übrigen recht unspektakulären inländischen Reiseverkehr absieht.
Kunst Immerhin: In Luxemburg besuchten wir ein Kunstmuseum, als fast ganz Deutschland noch im Lockdown-Tiefschlaf lag. Dort begegneten wir einem weltbekannten südafrikanischen Künstler, über dessen Werke ich mich in seiner Anwesenheit ausließ, was ich leider erst bemerkte, als er vor mir stand … Mit einem Augenblick waren mehrere Monate pandemischer Einöde vergessen. Ein lebender Starkünstler, der in seiner eigenen Ausstellung meinen Tiraden zuhört – das passiert nicht alle Tage! Viel mehr Spektakuläres hielt das Jahr für uns nicht bereit.
Also ruhen alle Hoffnungen auf 2022! Denn dieses Jahr ist noch verhältnismäßig jung, und allmählich steigt die Zuversicht, dass die Pandemie in Bälde ihren Schrecken zumindest ein Stück weit verlieren könnte. Alles nachholen, was man verpasst hat, all die ausgefallenen Reisen, Feierlichkeiten und unbeschwerten Stunden: Dieser Wunsch beschleicht nicht nur mich seit zwei Jahren.
Sabbatical Aber ist das überhaupt möglich? Ist die Pandemie eine seltsame Zwischenzeit, die, sobald sie einmal vorüber ist, den Zustand »vor Corona« wieder freilegt? Hin und wieder ahne ich, dass auch die pandemischen Lebensjahre vollständig zählen und gelten. Daher müssten eigentlich alle ein Sabbatical einlegen dürfen – ein Jahr, in dem man das Verpasste nachholen könnte!
Ich jedenfalls freue mich schon auf israelischen Sonnenbrand, New Yorker Bagels, Londoner Parks, endlose Petersburger Sommernächte – und weitere Starkünstler, über deren Werke ich mich vor ihnen auslassen darf.