Für seine am 27. Januar vor dem Deutschen Bundestag gehaltene Ansprache erhält Marcel Reich-Ranicki die Auszeichnung »Rede des Jahres«.
Mit der Schilderung einer persönlichen wie welthistorischen Schlüsselszene aus dem Warschauer Ghetto entfalte er auf eindringliche und äußerst ungewöhnliche Weise die Macht des gesprochenen Wortes, heißt es in einer Erklärung des Seminars für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen.
Das Seminar vergibt einmal jährlich den undotierten Preis und würdigt damit »eine Rede, die die politische, soziale oder kulturelle Diskussion entscheidend beeinflusst hat«. Zu den bisherigen Preisträgern gehören Jens Ziegler, Margot Käßmann, Siegmar Gabriel, Oskar Lafontain und Papst Benedikt XVI.
Appell In diesem Jahr nun Reich-Ranicki für seine am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus gehaltene Rede. Dabei habe er sich der konventionellen Gedenkrhetorik verweigert und auf Appelle, Mahnungen oder Forderungen verzichtet, so die Tübinger Rhetoriker. Stattdessen rücke er das Prinzip der Evidenz, namentlich die Vergegenwärtigung eines entscheidenden Moments in der Vernichtungsgeschichte der Juden, in den Vordergrund.
»Die Rede, teils mit brüchiger, teils aber auch mit gewohnt kräftiger Stimme und dezidierter Gestik vorgetragen, ist ein beeindruckender, kraftvoller und authentischer Beitrag zum Gedenken an den Holocaust in Deutschland«, heißt es in der Erklärung weiter.
»Dies ist gerade in einer Zeit von eminenter Bedeutung, in der es nur noch wenige Überlebende des Völkermords an den Juden gibt und in der unser Land gleichzeitig unter dem Eindruck rechtsextremen Terrors steht.« ja
Marcel Reich-Ranickis Besuch im Bundestag:
prelive.juedische-allgemeine.de/article/view/id/12184
Die Rede im Wortlaut:
http://bit.ly/w6tu6U