Raub- und Fluchtgut

Raphael Gross: Bührle-Stiftung machte ungenügende Arbeit

In Schulnoten gesprochen bekam die Bührle-Stiftung vom Historiker Raphael Gross eine glatte Sechs für die Herkunftsforschung über die mehr als 600 Bilder in ihrer Sammlung, die alle während des Nationalsozialismus von dem Waffenhändler Emil Bührle zusammengetragen wurde. »Die bisherige Provenienzforschung der Stiftung Sammlung E. G. Bührle ist nicht ausreichend, um den Standards der Zürcher Kunstgesellschaft zu genügen«, teilte Gross anlässlich der Vorstellung seines Abschlussberichtes am Freitag mit.

Der renommierte Experte wurde im Mai 2023 damit beauftragt, die Provenienzforschung zu überprüfen. Denn sämtliche Werke in seiner Sammlung hatte Bührle jüdischen Vorbesitzern zwischen 1937 und 1943 deutlich unter Marktwerkt abgekauft, weil diese das Geld für ihre Flucht vor den Nazis oder das pure Überleben brauchten. Der Waffenhändler profitierte gleich doppelt vom Unrecht, denn die Mittel für seine Kunstsammlung stammten aus Waffen- und Munitionsverkäufen an das Nazi-Regime. »Ohne Verfolgung wäre die Sammlung Bührle so nie zustande gekommen«, stellt Raphael Gross klar.

Der Schweizer Waffenhändler Emil Bührle machte mit seinen Spenden das Kunsthaus Zürich zum bedeutendsten Museum der SchweizFoto: picture-alliance/ dpa
Drei Maßnahmen zum Umgang mit der Bührle-Sammlung

Der Historiker empfiehlt dem Kunsthaus Zürich, wo rund 180 der Werke seit 2021 in einem eigens errichteten Neubau ausgestellt werden, drei Schritte:

Es muss weitere Provenienzforschung unternommen werden, die sich den jüdischen Vorbesitzern und den Umständen, unter denen sie ihre Bilder verkaufen mussten, widmet. Denn während die Kategorisierung der Stiftung »zu scheinbar abschließenden Ergebnissen geführt« habe, sei bei weiterer Sichtung der Werke eine immer größere Zahl jüdischer Vorbesitzer zutage getreten, die in der bisher von der Stiftung veröffentlichten Forschung überhaupt nicht erschienen seien oder keine Rolle gespielt hätten. So habe die Stiftung in 41 Fällen jüdische Vorbesitzer dokumentiert, doch Gross und sein Team fanden mindestens 20 weitere Fälle.

Lesen Sie auch

Die Zürcher Kunstgesellschaft, der Trägerverein des Kunsthauses, sollte ein Gremium einsetzen, welches ein Prüfschema für NS-verfolgungsbedingten Entzug (so der Fachbegriff für Kunst, die während des Nationalsozialismus geraubt, erbeutet oder aus Fluchtgründen zu Billigpreisen verkauft wurde) entwickelt und dieses auf die eigene Sammlung und Dauerleihgaben wie die Bührle-Sammlung anwendet.

Der Trägerverein sollte laut Gross außerdem überlegen, ob die Sammlung noch immer nach dem Kriegs- und Holocaustprofiteur Emil Bührle benannt werden sollte.

Lesen Sie einen ausführlichen Text in der kommenden Printausgabe.

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025

Glosse

Ein Hoch auf die Israelkritik

Der »Spiegel« hat mit dem indischen Essayisten Pankaj Mishra ein »erhellendes« Interview zum Nahostkonflikt geführt

von Michael Thaidigsmann  18.02.2025

Gaza

Erstes Lebenszeichen von David Cunio

Der 34-Jährige Israeli ist seit dem 7. Oktober 2023 Geisel der Hamas – bei der Berlinale wird an an den Schauspieler erinnert

 18.02.2025