Im altehrwürdigen Backsteinbau an der Schlüterstraße im Hamburger Univiertel wird angeregt diskutiert. Im Seminarraum am Ende der langen modernen Korridore geht es um die Einstellungen gegenüber Göttern und Dämonen in der jüdischen Religionsgeschichte. Hier mitten im Grindelviertel in Hamburg entsteht gerade ein neues intellektuelles Zentrum der Judaistik. Gleich zwei neue Institutionen wachsen dort gemeinsam seit knapp einem halben Jahr heran.
Das »Maimonides Centre for Advanced Studies«, das sich maßgeblich dem jüdischen Skeptizismus widmet, ist seit Oktober 2015 unter der Leitung von Giuseppe Veltri in Betrieb. Zuvor hatte nur zwei Straßen weiter das neue Institut für Jüdische Philosophie und Religion im Mai 2014 seine Pforten geöffnet. Veltri hatte seit den 90er-Jahren eine Professur in Halle inne und prägte die dortige Judaistik entscheidend mit. Gemeinsam mit Veltri kamen nun einige seiner ehemaligen Studenten an die Elbe, um das hiesige Institut aufzubauen und eine altehrwürdige Tradition an der Hamburger Universität wiederzubeleben.
Studium Generale Eine der ehemaligen Hallenserinnen ist Lilian Türk, deren Schwerpunkte Sprache und Literatur sind. »In Hamburg gab es einmal das allererste Institut für jiddische Sprache«, sagt Türk. »Jetzt wollen wir so viele Studenten wie möglich für unseren neuen Master-Studiengang gewinnen.« Momentan bietet das Institut seine Seminare im sogenannten Studium Generale an, ab dem kommenden Oktober wird es aber einen eigenen Master-Studiengang geben, der für alle deutschsprachigen Studenten offen ist. Auch ein internationaler Studiengang in Jewish Philosophy ist bereits in Planung.
Dabei profitieren alle Studenten der Universität von der engen Zusammenarbeit mit dem neuen Maimonides Centre, denn die dortigen Veranstaltungen, Workshops und Symposien sind für sie ebenso offen wie für andere Interessierte. Renommierte Forscher und Professoren aus aller Welt stellen im Kolleg ihre Ideen und Gedanken vor, ausdrücklich, um in einen regen Dialog mit anderen Wissenschaftlern zu treten. Die kleinen Studiengänge machen eine intensive Begegnungs- und Austauschkultur möglich.
Kooperation »Wenn es so einen Studiengang zu meiner Zeit gegeben hätte, hätte ich sofort hier studiert, das ist schon sehr attraktiv, was wir den Studenten bieten können«, findet Racheli Haliva. Die aus Israel stammende Haliva hat ihren Doktortitel an der McGill-Universität in Montreal erworben und bildet nun seit etwa vier Monaten die Brücke zwischen dem Institut und dem Maimonides Centre, das nach Moses Maimonides, dem berühmten jüdischen Philosophen, Rechtsgelehrten und Arzt des 12. Jahrhunderts, benannt ist. Es ist besonders diese Vermischung der Disziplinen, die auch der Hamburger Schwerpunkt für seine Veranstaltungen übernommen hat. Dabei stießen die Neulinge auf sehr kooperationsbereite Partner, nicht nur an der Uni Hamburg, sondern auch in der jüdischen Gemeinde und am Institut für die Geschichte der deutschen Juden, das in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert.
Die offene Zusammenarbeit ermöglicht eine große Vielseitigkeit im Angebot, längst keine Selbstverständlichkeit für den wissenschaftlichen Bereich. Haliva freut sich über die Kooperationsbereitschaft: »Alleine wären wir viele kleine Einzelkämpfer, wenn wir kooperieren, profitieren wir alle davon, am meisten aber die Studenten.« Noch bietet sie ihre Kurse in englischer Sprache an, aber sie hat bereits mit dem Deutschstudium begonnen.
Austausch Teil des kommenden Masterprogramms wird auch ein Austausch mit Israel sein, der besonders zum aktiven Hebräischlernen gedacht ist. Die Idee hinter dem Master ist, die Studieninhalte nicht zu eng vorzugeben, um ein möglichst weit gefächertes Spektrum abzubilden.
Diskussionsfreude muss man allerdings schon mitbringen, ob als Student oder als Fellow im Maimonides Centre, denn regelmäßig finden Dialektiktreffen und Leseabende statt, bei denen die eigenen Ideen und Veröffentlichungen auf dem Prüfstand stehen. Für Haliva eine ideale Möglichkeit, die eigene Argumentation in einer freundlichen Umgebung auf Herz und Nieren zu prüfen. Es ist auch ganz im Sinne der Skeptizismuslehre, denn dort geht es ja um das Hinterfragen und Überprüfen der eigenen Gewissheiten. »Ich will keine reine Frontalveranstaltung machen, es soll immer ein Austausch sein, bei dem ich auch etwas von meinen Studenten lerne«, erklärt Haliva ihren Ansatz. Daran müssten sich die deutschen Studenten zum Teil erst noch gewöhnen, nach ein paar gemeinsamen Seminaren würden sie den Dialog aber annehmen.
Noch besteht ein Großteil der Arbeit darin, ein Netzwerk von Wissenschaftlern und Studenten aufzubauen, die sich im weitesten Sinne mit dem Thema Skeptizismus auseinandersetzen. Zunächst ist das Centre auf acht Jahre angelegt, die ersten vier sind bereits finanziert. In den Semesterferien wird es eine Summer School geben, auch ein Ort zum Kennenlernen der beiden Institutionen. Idealerweise stellt sich Haliva die Zukunft des Centre so vor, dass 15 Wissenschaftler aus 15 verschiedenen Disziplinen an einem Tisch sitzen und eine Idee aus ihren verschiedenen Perspektiven durchleuchten. Bis dahin liegt noch ein wenig Arbeit vor den Neuhamburgern.
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