Südafrika

Präsident mit Duschkopf

Verschwitztes T-Shirt, Brotkrümel auf der Hose, Tintenflecke auf den Händen, strahlendes Lachen – Jonathan Shapiro scheint mal wieder einen dieser typischen Morgen gehabt zu haben. Der südafrikanische Karikaturist frühstückt Nachrichten wie andere Eier mit Speck. Ab sechs Uhr klebt er mit einem Ohr am Radio, nebenher erledigt er die Morgentoilette, schmiert seinen Kindern Pausenbrote, fährt sie mit dem Auto zur jüdischen Schule, später sitzt er am Zeichentisch in seinem vollgestopften Atelier und liest Zeitungen, während er zwischen SABC, CNN und Al Dschasira hin und her zappt.

präsidentenwitze Jonathan Shapiro alias Zapiro wird in Südafrika gefeiert wie ein Popstar. Fast das ganze Land lacht über seine Cartoons, die in Wochen- und Tageszeitungen erscheinen. Nur einer findet sie überhaupt nicht lustig: Präsident Jacob Zuma. Der hatte im April 2006 öffentlich erklärt, eine Dusche nach ungeschütztem Sex mit einer HIV-positiven Frau beuge der Übertragung von Aids vor. Der Präsident versicherte, es schließlich selbst ausprobiert zu haben. An jenem Tag kam Shapiro seine Idee schneller als gewöhnlich: Er montierte Zuma eine Brause auf die Glatze. »Mit wie viel Bedeutung sich der Duschkopf plötzlich auflud, hätte ich mir nie träumen lassen«, sagt er. »Es kamen so viele Briefe, Mails, SMS und Anrufe von Freunden und Lesern wie noch nie. Da erst wurde mir klar, dass so ein Duschkopf aus irgendwelchen Gründen etwas sehr Mächtiges hat.« Inzwischen ist Shapiros Brause ein Indikator dafür geworden, wie moralisch oder unmoralisch Zuma handelt: Verhält sich der Präsident aus der Sicht des Zeichners integer, löst sich der Duschkopf vom Haupt des ANC-Chefs oder verschwindet – wie nach Zumas Amtseinführung – für eine Zeitlang winzig klein in den Hintergrund. »Ich wollte fair sein und ihm eine Chance geben«, sagt Shapiro. »Seine Antrittsrede war vielversprechend.«

Doch seit Ende Januar bekannt wurde, dass Zuma mit der Tochter des Fußballfunktionärs Irvin Khosa (»Iron Duke«) sein mutmaßlich zwanzigstes Kind gezeugt hat, pappt der tröpfelnde Duschkopf erneut auf dem Schädel des polygamen Politikers – obwohl Zuma den Zeichner zweimal wegen Rufschädigung auf insgesamt neun Millionen Rand (umgerechnet 960.000 Euro) Schmerzensgeld verklagt hat. Zu einem Prozess, glaubt Shapiro, wird es jedoch nicht kommen. »Dieser Zirkus ist selbst Zuma zu peinlich: Er müsste ja in den Zeugenstand treten und erklären, warum er um seine Würde bangt.« Der Zeichner schüttelt den Kopf. Einen besonderen Sinn für Humor hat er bei Zuma, der einmal Chef des nationalen Aidskomitees war, noch nicht feststellen können: »Er lacht zwar viel, aber nie aus vollem Herzen. Das ist eher ein peinlich berührtes, populistisches, joviales Lachen.«Ein gefundenes Fressen für den Cartoonisten. Vielleicht ist es so: Je weniger Humor ein Präsident hat, desto einfacher ist er zu persiflieren.

anti-apartheid-aktivist Eigentlich wollte Jonathan Shapiro von Kindesbeinen an Cartoonist sein. Doch nach der Schule schrieb er sich zunächst für Architektur ein, um seinen Wehrdienst in der Armee der Apartheidära aufzuschieben. In seinem letzten Studienjahr reiste er nach Europa, um die Zeichner zu treffen, die er heute noch verehrt. Unangekündigt und ohne Erfolg klingelte er in Brüssel beim »Tim und Struppi«-Erfinder Hergé. Dann fuhr er nach Paris, zu Albert Uderzo, dem Asterix-Zeichner. »Es war 23 Uhr, aber ich läutete. Uderzo bat mich tatsächlich hinein, er sprach Französisch, ich Englisch. An diese Offenheit muss ich immer denken, wenn bei mir jemand klopft.«

Jonathan Shapiro flog in der Gewissheit nach Kapstadt zurück, dass man als Karikaturist durchaus überleben kann. Doch kaum dass er sein Studium abgebrochen hatte, wurde er zur Armee nach Pretoria eingezogen. »Weil ich mich weigerte, eine Waffe zu tragen, gab man mir eine selbst gebastelte Attrappe. Natürlich behandelten sie mich zwei Jahre lang wie Abschaum, schlimmer noch: wie kommunistischen Abschaum.« Shapiro wühlt in den Papierbergen aus Zeitungen und Zeichenpapier, die im Bücherregal liegen. Der Familienhund hebt den Kopf und bellt. »Schsch, Milou ... ich hab’s gleich ...« Milou, so heißt Struppi im Original. Dann zieht Shapiro die Gewehrattrappe hervor, all die Jahre hat er sie behalten, als Zeichen seiner Politisierung. Aus der Armee rauswerfen, sagt er, konnten sie ihn damals nicht: »Dadurch hätten sich die Risse im System verstärkt. Man übertünchte sie lieber.«

Mandela Die Entscheidung für ein Leben als Cartoonist führte Shapiro 1988 nach New York, wo er bei Größen wie Art Spiegelman studierte – und Nelson Mandela zum ersten Mal in Freiheit erlebte. Mandela, sein unangefochtenes Lieblingsmotiv. Er attestiert dem früheren Präsidenten wie alle, die ihn getroffen haben, neben viel Charisma auch ausgeprägte Kritikfähigkeit. »Einmal ging mein Telefon. Ich nahm den Hörer ab, und eine Stimme sagte: ›Hallo, hier ist Nelson Mandela, ich wollte nur sagen, dass ich traurig bin, weil Ihre Cartoons nicht mehr im Cape Argus erscheinen.‹ Ich sagte, total versteinert: ›Aber Herr Mandela, ich lasse doch kein gutes Haar am ANC!‹ Und er: ›Das eben ist Ihr Job.‹«

Das hat auch schon Israel zu spüren bekommen. Der Politik des jüdischen Staats steht der Jude Shapiro – vorsichtig ausgedrückt – skeptisch gegenüber. Was ihm aber auch nicht half, als vor Kurzem Shapiro seinen Beitrag zum »Everybody Draw Muhammad Day« leistete. Seine Zeichnung zeigt Mohammed beim Psychotherapeuten. »Andere Propheten haben doch auch Anhänger mit einem Sinn für Humor«, beschwert sich der Gründer des Islam in einer Sprechblase. Womit Shapiro nicht gerechnet hat, war der Sturm der Empörung, der sein Atelier daraufhin noch stärker umtoste als der »Cape Doctor«, der gefürchtete Kapstädter Wind aus Südosten.

angstfrei Jonathan Shapiro lebt in Oranjezicht, einer besseren Kapstädter Wohngegend . Sein Haus dort ist im Unterschied zu vielen anderen von der Straße aus sichtbar. Man hat durch die Gitterstäbe des Tors beinahe freien Blick auf seinen Zeichentisch. Ziemlich mutig für einen Mann, der mehrmals in der Woche den Mächtigen auf die Füße tritt. Angst vor Attacken, sagt Shapiro, habe er nicht. Angst habe er nur vor Abgabefristen – »Deadline Angst« nennt er sie. Er schrecke auch nicht nachts schweißgebadet aus Zuma-Albträumen hoch. Aber es gibt Tage, an denen selbst ein Vollprofi nicht mehr weiter weiß. Wenn er trotz Magen-Darm-Grippe an den Zeichentisch muss. Oder darüber grübelt, ob er den traditionellen Irrglauben mancher Männer, HIV sei durch die Vergewaltigung von Kindern zu kurieren, thematisieren soll. (Er tat es: Sagt eine Giraffe zur anderen: »Es soll also eine Spezies geben, die ihre Jungen vergewaltigt?«)

Vor der Gartentür sind plötzlich Fans aufgetaucht, die Autogramme haben wollen. Sie haben sein Buch Don’t Mess With The President’s Head mitgebracht, zu deutsch »Lass Dich nicht mit dem Kopf des Präsidenten ein«. Shapiro läuft mit großen Schritten auf sie zu, bleibt auf halbem Weg stehen und wendet sich noch mal um: »Wenn einer nachts schweißgebadet aufwachen sollte, dann Zuma.«

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