Sie sind weich, haben Beine wie Tentakel und ein trauriges Hundegesicht mit großen Schlappohren. Gemeint sind Hibukis, was auf Deutsch so viel wie Knuddeln oder Umarmung heißt. Kommerziell zuerst ein Flop, erleben die in China produzierten Plüschtiere eine zweite Karriere als Therapiewerkzeug. Das verdanken sie eher dem Zufall.
»Es war im Sommer 2006. Im Libanon herrschte Krieg«, berichtet Avi Sadeh. Wochenlang feuerte die Hisbollah Raketen auf den Norden Israels, und Hunderttausende Israelis suchten in den sicheren Teilen des Landes Schutz. »Darunter gab es viele Kinder, die durch den Beschuss und die Flucht schwer traumatisiert waren«, so der Psychologieprofessor von der Universität Tel Aviv.
Masse Shai Hen-Gal, einer seiner ehemaligen Studenten, gehörte damals zu einem Team von Psychologen, das ihnen zu helfen versuchte. »Doch wir standen vor mehreren großen Problemen«, so Hen-Gal. »Da war zum einen die schiere Masse an Kindern, zum anderen hatte man sie nur temporär in provisorischen Unterkünften untergebracht, sodass eine langfristige und intensive Betreuung unmöglich erschien.« Hen-Gal kontaktierte Sadeh, der ihm den Rat gab, Stofftiere einzusetzen.
»Ich begann, die Spielwarengeschäfte nach geeignetem Kuschelmaterial zu durchsuchen, und stolperte plötzlich über diesen Plüschhund, den wegen seiner alles andere als fröhlichen Mimik niemand haben wollte«, erinnert sich Sadeh. Sofort erwarb er 70 Stück. Mittlerweile sind 50.000 Hibukis im Einsatz. Und zwar an allen Fronten: Im Norden des Landes ebenso wie im von Kassam- und Grad-Raketen geplagten Süden oder nach den verheerenden Bränden auf dem Carmel.
»Ein traumatisiertes Kind identifiziert sich eher mit einem traurigen Stofftier, weil es ihm so leichter fällt, die eigenen Empfindungen darauf zu projizieren«, so Hen-Gal. »Wir fragen dann, warum es glaubt, dass Hibuki so traurig ist, und bekommen Antworten zu hören wie ›Weil eine Kassam-Rakete auf seine Hundehütte gefallen ist‹ oder ›Weil er keine Freunde hat‹.« Die langen und mit Klettverschlüssen ausgestatteten Gliedmaßen des Plüschhundes ermöglichen auch eine Umarmung.
Albträume Noch im Sommer 2006 konnte die therapeutische Wirkung von Hibuki in einer Studie erforscht werden. In den letzten drei Tagen des Libanonkrieges bekamen 74 fünfjährige Jungen und Mädchen, die mit ihren Familien in Luftschutzräumen ausgeharrt hatten und unter traumabedingten Verhaltensstörungen litten, einen Stoffhund. Bereits drei Wochen später hatten 71 Prozent der Kinder wieder zur Normalität zurückgefunden – doppelt so viele wie bei einer Vergleichsgruppe ohne Hibukis. Weitere Untersuchungen zeigten, dass innerhalb nur weniger Tage die Fälle von Bettnässen, Albträumen oder unkontrollierten Gewaltausbrüchen um 40 Prozent zurückgingen.
Der Erfolg des Stoffhundes hat sich mittlerweile herumgesprochen und international bewährt. Jüngst war Hen-Gal mit einer Delegation israelischer Psychologen und rund 200 Hibukis im Gepäck in Japan, um den durch Erdbeben, Tsunami und Flucht vor der Radioaktivität traumatisierten Kindern zu helfen (vgl. Jüdische Allgemeine vom 15. März). Mit Erfolg, wie alle Teilnehmer unisono berichten. Nur mit dem Namen gab es einige Missverständnisse.
Denn Hibukis gibt es auch in Japan. Bloß handelt es sich dabei nicht um Plüschtiere, sondern um eine Stechwaffe aus der Edo-Epoche – einem beliebten Utensil der Geishas, das primär der Selbstverteidigung diente.