Frau Sideropoulos, Ihr neues Buch trägt den Titel »Rosarotes Glück: Setz doch mal die rosarote Brille auf!«. Wenn Sie dem vergangenen Jahr und den ersten zwei Monaten des neuen eine Farbe geben könnten, welche wäre das?
Ich versuche ja, prinzipiell alles rosa zu sehen. Aber natürlich war das vergangene Jahr durchwachsen. Farblich war es für mich trotzdem rosa, aber vielleicht nicht ganz so leuchtend.
Wie haben Sie dieses Jahr 2020 erlebt?
Es war schwierig, weil ich feste Projekte hatte, die weggebrochen sind. Unter anderem auch ein Theaterprojekt, das fertig geprobt war, und eine Woche vor der Premiere gab es dann den ersten Lockdown. Zu Beginn wusste niemand, wie es weitergeht, der Sommer war dann okay, und es gab die große Hoffnung, dass wir im November spielen können. Also wieder Proben, und wieder kam kurz vor der Premiere der nächste Lockdown. Dann hieß es: Alles geht erst ab dem 1. Dezember mit Hygienekonzept und nur 30 Prozent Publikum. Schlussendlich wurde das dann aber auch gestrichen. Alles in allem war es sehr hart, aber ich muss auch sagen, dass das Schreiben des Buches für mich wie ein Geschenk war.
Weshalb?
Man ist sehr autark, schreibt für sich. Die Herausforderung war, dass ich es neben dem Homeschooling gemacht habe. Aber das Tolle war, dieses Projekt zu haben, von dem ich wusste, da kann schwer etwas dazwischenkommen. Es passierte einfach jetzt.
Hatten Sie das Schreiben des Buches ohnehin für 2020 geplant?
Ich bekam das Angebot im Februar 2020, weil mich die Verlegerin in einem Podcast-Interview gehört hatte. Nachdem dann der Vertrag unterschrieben war und auch ein Datum zur Abgabe feststand, war klar: Das muss ich jetzt wirklich machen. Ich hatte kurz etwas Panik und fragte mich: Wer hat eigentlich behauptet, dass ich Autorin bin? Kann ich das überhaupt? Aber die Deadline hat mir geholfen, denn ich wusste, dass am Abgabedatum alles fertig sein muss.
Was haben Sie während des Schreibens über sich selbst gelernt?
Ich habe endlich wieder gespürt, was es bedeutet, wenn man in so einem »Flow« ist. Wenn alles funktioniert, wenn es fließt und einfach richtig ist. Dann ist es leicht. Das war ein schönes Gefühl. Ich hatte eigentlich keinen Moment, in dem ich dachte: Ich schmeiß’ das jetzt alles hin. Es ging immer weiter. Ich habe wieder einmal gemerkt, dass Schreiben so etwas Tolles ist.
Sie schreiben sehr offen über eine Lebenskrise und über sehr private Dinge. Hat Sie diese Offenheit Überwindung gekostet?
Klar habe ich darüber nachgedacht, ob ich das wirklich so offen aufschreiben will. Aber ohne diese Krise kein Buch. Keine Heldenreise ohne Tiefpunkte. Das war meine Entscheidung, es öffentlich zu machen – auch Jahre danach. Es ist einfach auch wahnsinnig befreiend, es einmal loszuwerden. Schließlich hat jeder im Leben solche Geschichten, jeder hat seine eigene Geschichte.
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie nicht mehr die Susan sind, die Sie einmal waren, wie es in dem Buch heißt?
Das war ein schleichender Prozess. Mir ging es ja nicht durchgehend richtig schlecht. Es gab viele Aufs und Abs, und es kamen immer wieder Projekte rein, aber irgendwie ging es mir schlechter, rund vier Jahre lang. Das ist für die Außenwelt ja nicht unbedingt ersichtlich. Immer zum Jahresende ging es mir auf jeden Fall schlechter, das habe ich noch gut in Erinnerung. Wenn mir im Herbst nach dem Urlaub bewusst wurde, dass ich noch gar nichts unterschrieben hatte. Wenn ich mich fragte, was das neue Jahr bringen wird. Diese Ängste, dass nichts kommt oder nichts mehr kommt, das so toll ist wie das Projekt davor. Was mache ich, wenn sogar nie wieder etwas kommt? Wer bin ich dann noch? Dann gab es einen Winter, der für mich so extrem war und in dem ich merkte: Ich bin gar nicht mehr die, die ich mal war, und ich kann es auch kaum mehr verbergen.
Wer waren Sie vorher?
Eine strahlende Sonne. Vieles flog mir einfach zu, alles war leicht. Ich habe alles mit Freude gemacht. Und plötzlich war die Freude weg. Ich habe den Blick für alles verloren, was gut ist, weil ich mich nur auf diese eine spezielle Sache konzentriert habe. Alle kennen das. Alle! Dass alles im Leben läuft und diese eine Sache, die macht alles kaputt.
Sich einzugestehen, dass man in einer schwierigen Phase ist oder eine Lebenskrise hat, ist nicht einfach, aber der erste Schritt. Ist dieser schwerer, wenn man eine Person des öffentlichen Lebens ist?
Diese vermeintliche Beobachtung erhöht den Druck ungemein. Diese Frage: Was denken die anderen? – wobei die oft gar nicht so viel denken wie man selbst – ist immer da. Die Versagensängste sind groß. Gerade die Geschichte mit meiner Rolle in der TV-Sendung »Mila« hat mich sehr belastet. Ich hatte ein Riesenprojekt, worin ich schon zwei Jahre, bevor es ausgestrahlt wurde, involviert war, das dann so schnell weg war, dass man gar nicht gemerkt hat, dass es überhaupt da war. Es fehlt die Wertschätzung für die Arbeit, die man da reingesteckt hat.
Eine große Stütze ist Ihre Familie. Und in Ihrem Buch gibt es kleine Einschübe, die »Jakob sagt immer« heißen. Wie kam es dazu?
Tatsächlich haben das meine Mädels angeregt, die mich gefragt haben: Aber du hast schon so eine Kategorie namens »Jakob sagt …«, oder? Wenn man sich mit mir unterhält, fällt relativ schnell dieser Satz. Mein Mann Jakob ist eben sehr weise und sagt sehr schlaue Sachen, und er sagt in den richtigen Momenten einfach das Richtige. Er ist mit einer weisen Seele geboren. So war er schon mit 16 Jahren. Jeder, der ihn kennt, wird das unterschreiben.
Sie kennen sich schon seit Teenagerzeiten. Was haben Sie voneinander gelernt?
Sehr viel! Wir sind jetzt länger miteinander als ohne einander. Ich wäre nicht dort, wo ich bin, ohne ihn und er auch nicht dort, wo er ist, ohne mich. Wir ergänzen uns sehr und führen schon immer eine unkonventionelle Beziehung ohne eine bestimmte Rollenaufteilung. Jeder von uns macht alles. Okay, ich koche nicht … Jakob ist mit sich im Reinen. Und ohne, dass er es vielleicht weiß, war Jakob schon immer sehr spirituell. Seit fast einem Jahr beschäftigen wir uns beide mit persönlicher Weiterentwicklung, und das ist etwas sehr Schönes. Fast wie eine gemeinsame Sprache.
Sie haben sich zu einer Zeit kennengelernt, in der es noch keine sozialen Medien gab. Vermuten Sie mal: Wäre das Kennenlernen heute anders verlaufen?
Ich glaube ja an schicksalhafte Fügungen, und wahrscheinlich hätten wir uns immer irgendwie gefunden. Bei uns war das zur richtigen Zeit am richtigen Ort und vielleicht auch unter schwierigeren Bedingungen als heute. Wobei: Waren das wirklich schwierigere Bedingungen? Heute hält man nicht mehr so an Menschen fest. Heute ist alles klick und da und klick und weg. Damals bedurfte alles eines extra Arbeitsschrittes – vom CD-Kauf bis zum Ergattern von Informationen. Sechs Jahre Fernbeziehung in einer ganz anderen Zeit, das ist eine besondere Geschichte.
In Ihrem Buch beschreiben Sie neben ernsten auch viele fröhliche und innige Momente mit Ihrer Familie. Sie erzählen von Ihren Träumen, auf der Bühne zu stehen. Sie haben auch auf der Jewrovision-Bühne als Moderatorin gestanden. Der Gesangswettbewerb des Zentralrats der Juden musste nun pandemiebedingt ausfallen: Was möchten Sie den Jugendlichen in den Jugendzentren mit auf dem Weg geben?
Das ist natürlich extrem traurig, dass so ein tolles Event, in dem auch viel Arbeit im Vorfeld drinsteckt, nun ausfällt. Das Vorbereitete eben nicht zeigen zu können, das ist schmerzhaft, und das kann ich sehr gut nachempfinden. Leider müssen wir da jetzt alle gemeinsam durch. Und dass alle über Zoom oder Skype in Kontakt bleiben können, dass man die Gemeinschaft dann trotzdem spürt, das ist toll. Wir sollten die Perspektive auf das Gute richten.
Sie haben sich kürzlich an dem Projekt der Axel-Springer-Akademie »Jeder Vierte« beteiligt, in dem Sie neben vielen anderen Schauspielern eine Szene, in denen Menschen Antisemitismus erfahren haben, nachspielen. Wie wichtig ist Ihnen das Engagement für dieses Thema?
Zugegebenermaßen habe ich mich lange damit etwas zurückgehalten und fühlte mich dem auch lange nicht so gewachsen. Ich habe mich gefragt, ob ich die richtigen Dinge sage. Aber jetzt traue ich mich das, und der Bann war eigentlich gebrochen, als ich vor zwei Jahren Gast in der SWR-Sendung »Nachtcafé« zum Thema »Jüdisches Leben« war. »Jeder Vierte«, dieses Projekt fand ich schön, weil es junge Leute inszeniert haben. Weil sie auch auf Themen wie Alltagsantisemitismus schauen und fragen, wo wir aufmerksamer sein sollten.
Was bedeutet es für Sie, Jüdin zu sein?
Ich mache ja in den sozialen Medien dazu ein kleines Fenster auf und will zeigen: Wir führen als Familie ein ganz normales Leben mit jüdischen Traditionen. Wir haben aber auch einen Weihnachtsbaum, und alles ist ganz entspannt. Ich komme aus einer Multikulti-Familie, und so erziehe ich auch meine Kinder. Mir sind Traditionen und Werte sehr wichtig, denn so bin auch ich aufgewachsen. Die sind das A und O für mich. Für mich ist das jüdische Leben nur positiv behaftet. Jüdisch sein, das bedeutet für mich, auf Machane zu fahren, viele Freunde zu haben, Feiertage zu begehen. Es ist bunt und schön. Ich liebe es, in der Synagoge zu sein, Lieder zu singen. Und für mich ist es wichtig, das zu vermitteln.
Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Gehen Frauen mit Krisen anders um als Männer?
Ja, hundertprozentig. Wir Frauen machen ja grundsätzlich erst einmal alles etwas kompliziert, was gut und schlecht ist, denn wir analysieren vieles. Eine Unterzeile zu dem Kapitel über Freundinnen in meinem Buch lautet ja scherzhaft auch »Kann verstörende Inhalte für Männer haben«, denn wir ticken einfach anders. Wir schreiben uns zig Nachrichten, anstatt fünf Minuten miteinander zu telefonieren. Das muss auch keiner verstehen. Wir besprechen Situationen minutiös mit unseren Freundinnen. Wir nehmen alles auseinander. Also manchmal wünsche ich mir auch ein bisschen das Pragmatische eines Mannes. Ich bin froh, eine Frau zu sein. Und ich bin auch froh, einen Mann zu Hause zu haben, der die weiblichen Seiten kennt.
Stehen sich Frauen mit dem Analysieren manchmal selbst im Weg?
Ja, denn wir sind ja sehr kritisch – auch uns selbst gegenüber. Eine Bekannte von mir hat mal den Spruch gesagt: Männer finden sich immer etwas toller, als sie sind, und Frauen finden sich immer etwas schlechter, als sie sind. Und das steht uns im Weg. Frauen suchen nach Dingen, die sie glauben, nicht zu können. Männer sagen sich: Das kann ich.
In Ihrem Buch schreiben Sie von den Big Five: Familie, Freunde, Reisen, um nur drei zu nennen. Wer sind Ihre Big Five bei Frauen?
Die Autorin Laura Malina Seiler, die auch das Vorwort zu meinem Buch geschrieben hat. Ich bewundere die Journalistin Düzen Tekkal, das ist eine tolle Frau. Oprah Winfrey, sie ist ein Knaller und hochspirituell. Ich liebe jede meiner Freundinnen. Jede ist eine Inspiration.
Was werden Sie als Erstes machen, wenn der Lockdown vorbei ist?
Ich umarme alle meine Mädels ganz fest. Ich möchte, dass wir alle gemeinsam toll essen gehen beim Italiener oder beim Israeli, mit cooler Musik! Und ich wünsche mir, dass wir im Herbst in Tel Aviv am Strand sitzen, das Leben feiern und dankbar sind, dass wir es haben.
Das Interview mit der Schauspielerin und Moderatorin führte Katrin Richter.
Susan Sideropoulos: »Rosarotes Glück: Setz doch mal die rosarote Brille auf!«. Gräfe und Unzer, München 2021, 240 S., 17,99 €