Bezieher des Werner-Richard-Heymann-Newsletter bekamen vor ein paar Jahren zu Weihnachten eine Grußkarte per E-Mail zugeschickt, die ein glücklich strahlendes Paar vor einem Alpenpanorama zeigte. Das Foto war keine historische Aufnahme des Komponisten mit einer der vier Frauen, mit denen er im Laufe seines Lebens verheiratet war. Es handelte sich um ein aktuelles Urlaubsbild. Der Mann darauf war Wolfgang Trautwein, der Archivdirektor der Akademie der Künste Berlin, wo der Nachlass Werner Richard Heymanns liegt.
Die Frau war seine Gattin Elisabeth Trautwein-Heymann, einzige Tochter und Rechtsnachfolgerin des Filmkomponisten. Die beiden kennen sich seit 1997, als sie wegen eines Operettenkongresses nach Berlin kam und ihren künftigen Mann kennenlernte. »Ich habe ihn gesehen und mein Herz hat einen Sprung gemacht. Das war gleich eine Seelenübereinstimmung.«
rührig Zu dieser Übereinstimmung gehört, dass er sie bei ihrer selbst gestellten Lebensaufgabe unterstützt, die Erinnerung an ihren Vater und sein Werk wachzuhalten. Lange hat Elisabeth Trautwein-Heymann etwa für die Gedenktafel gekämpft, die nun am Haus am Karolingerplatz 5 in Berlin-Westend hängt, jenem von Erich Mendelsohn errichteten Domizil, in dem Heymann bis zu seiner Flucht aus Deutschland lebte.
Ein anderes Mal »habe ich alle in Deutschland aktiven Salonorchester angeschrieben, weil ich die Idee hatte, sie sollten doch die Lieder meines Vaters öfter spielen. Von vielen habe ich keine Antwort erhalten, aber ein paar Leute haben sich dann doch gemeldet«, erzählt die studierte Tanzpädagogin in einer Mischung aus Münchner und Wiener Dialekt, ihren beiden Lebensstationen, bevor sie 1998 nach Berlin übersiedelte.
Zu denen, die sich meldeten, gehörte das Salonorchester Schwanen, das mit der Diseuse Annette Postel ein Album zu Heymanns 50. Todestag in diesem Jahr produziert hat, darauf einige seiner größten Hits wie Das gibt’s nur einmal, Liebling, mein Herz lässt dich grüßen oder Irgendwo auf der Welt. Mit dabei auf der CD sind auch eine Reihe von illustren Gästen wie Georg Kreisler, Gert Wilden und – natürlich – Elisabeth Heymann selbst, die Episoden aus dem Leben ihres Vaters erzählt.
Zum Beispiel die traurige Geschichte von dem braunen Königspudel, den Heymann 1933 bei Freunden zurückließ, als er aus Deutschland fliehen musste. Das Tier wurde erschossen, weil es ein »Judenhund« war, erzählt die Tochter. Erfahren hat sie das von ihrem Vater, als der nach dem Krieg der kleinen Elisabeth einen anderen braunen Königspudel schenkte. Kein Wunder, dass der Vater nach seiner Rückkehr aus den USA 1951 nicht jedermann die Hand geben wollte. Er wusste, wer bei den Nazis mitgemacht hatte und wer nicht.
hollywood Der gefeierte UFA-Komponist von einst konnte in der jungen Bundesrepublik an seine Vorkriegserfolge anknüpfen. Die Musik zu Kassenschlagern wie Alraune mit Hildegard Knef oder Heidelberger Romanze mit Lilo Pulver stammte von Heymann.
Nachzulesen sind diese biografischen Details in der von Hubert Ortkemper herausgegebenen Biografie Liebling, mein Herz lässt dich grüßen, die in einer erweiterten Neuauflage ebenfalls anlässlich des 50. Todestages erschienen ist. Dort werden auch Heymanns bislang wenig dokumentierten Jahre im Exil beschrieben, die nicht immer nur filmreif verliefen.
In Paris wurden zwar seine Operetten Florestan I., Prince de Monaco und Trente et Quarante am Théatre des Bouffes Parisiens uraufgeführt. Doch in den USA, in die Heymann Ende der 30er-Jahre weitergeflüchtet war, hatte der einst berühmteste Filmkomponist Deutschlands einen schweren Start, bevor er in Hollywood Fuß fassen konnte. Dann aber kam der Erfolg wieder, unter anderem mit der Musik zu Ernst Lubitschs Ninotschka mit Greta Garbo in der Hauptrolle. Sogar drei Oscar-Nominierungen räumte Werner Richard Heymann ab. Doch glücklich war er in Amerika nicht.
Den assimilierten Jecke zog es in seine deutsche Heimat zurück. 1957 ließ er sich sogar hier wieder einbürgern. Zum Nachweis seiner Verwurzelung im deutschen Brauchtum verlangte damals der zuständige Beamte von Heymann, ein deutsches Volks- lied vorzusingen. Der stimmte daraufhin seinen eigenen Schlager Das gibt’s nur einmal an. Das war Chuzpe in Reinform, eine Chuzpe, die auch Heymanns Songs prägte.
kulturtage Die Geschichte steht in dem Büchlein Werner Richard Heymann. Berlin, Hollywood und kein Zurück, erschienen im Verlag Hentrich & Hentrich. Geschrieben hat es Wolfgang Trautwein. »Dafür ist der gesamte Italienurlaub draufgegangen«, echauffiert sich die Frau des Autors. In Italien war es auch, wo sie ein Anruf von Martin Krantz von den Jüdischen Kulturtagen Berlin erreichte.
»Ich stand gerade auf der Piazza in Siena und verstand mein eigenes Wort nicht wegen der vielen Motorroller, aber es wurde mir allmählich klar, dass es mit dem Heymann-Abend bei den Kulturtagen 2011 klappen würde.« Für das Eröffnungskonzert der Kulturtage an diesem Donnerstag um 20 Uhr in der Synagoge Rykestraße hat Elisabeth Trautwein-Heymann lange gekämpft, dafür die Schauspielerin und Sängerin Dagmar Manzel mit dem Pianisten Tal Balshai »verkuppelt«.
»So schaut einfach meine Arbeit aus, dass ich immer wieder Leute miteinander in Verbindung bringe, von denen ich meine, sie könnten was für Heymann tun. Ich bin eine Funkelstein-Sammlerin. Es sind ganz viele Steinchen, die man sammelt, und man weiß noch gar nicht, wird das ein Muster, wird das je fertig. Und auf einmal fügt sich das dann zu einem größeren Bild zusammen.«
Sagt’s und streicht ihre blonden Haare hinter die Ohren. Diese Geste macht sie oft, seit ihr als Kind gesagt wurde, dass man ihr, wie dem Vater, an den großen Ohren das Jüdischsein ansehe. Seither ist sie sehr stolz darauf. Auf den Vater. Auf die Ohren. Auf das Jüdischsein.
Eröffnungskonzert der Jüdischen Kulturtage Berlin. »Irgendwo auf der Welt«. Dagmar Manzel und Tal Balshai spielen Werner Richard Heymann. Donnerstag, 8. September, 20 Uhr, Synagoge Rykestraße