Laut den Vereinten Nationen leben bereits heute 1,2 Milliarden Menschen in Regionen mit deutlich begrenzten Wasserressourcen; 2030 wird die Hälfte der Weltbevölkerung unter kritischem Wassermangel leiden. 700 Millionen der Betroffenen kommen aus Gegenden des sub-saharischen Afrikas. Unzweifelhaft werde dies in naher Zukunft zu kriegerischen Auseinandersetzungen, Flucht und Migrationsströmen führen, so der Bericht der Abteilung für ökonomische und soziale Angelegenheiten der UN.
Fast die Gesamtheit des Wasservorrats der Erde besteht aus Salzwasser; lediglich ein Prozent sind Süßwasservorräte, und davon ruhen wiederum 70 Prozent gefroren in den Gletschern der Antarktis und Grönlands. Seen und Flüsse machen lediglich 0,25 Prozent der globalen Wassermasse aus, werden jedoch vorrangig von allen Lebewesen als Wasserquelle genutzt. Sollte die Weltbevölkerung also wie prognostiziert immer weiter wachsen und das Wasser gleichzeitig immer knapper werden, müssen die Ozeane durch künstliche Prozesse zu trinkbarem Süßwasser aufbereitet werden.
»Es ist eine Investition in die Zukunft. Das Meerwasser bleibt uns noch lange erhalten, wohingegen Süßwasser in diesen Weltgegenden in den kommenden Jahren rapide schwinden wird«, so Nikolay Voutchkov, Direktor der International Desalination Association (IDA) und Vorsitzender von Water Globe Consulting, einer weltweiten Beratungsfirma für innovative Wasseraufbereitung. »Saudi-Arabien deckt bereits 90 Prozent seines Wasserverbrauchs aus Entsalzung und ist damit absoluter Vorreiter, dicht gefolgt von Israel. Diese Länder suchen bereits jetzt nach Alternativen«, weiß Voutchkov.
Sorek Israels größte Entsalzungsanlage liegt 15 Kilometer südlich von Tel Aviv, direkt an der Mittelmeerküste und mitten im Sorek-Nationalpark. Seit 2013 befördern dort sieben Pumpen jede Stunde 54.000 Kubikmeter Wasser aus dem Meer in das Kraftwerk und schließlich in die Leitungen der Anwohner.
1,5 Millionen Israelis nutzen bereits täglich das entsalzte Meerwasser aus Sorek; das Kraftwerk deckt damit 20 Prozent des nationalen Wasserbedarfs. Damit ist Sorek im Vergleich zu Anlagen in Kalifornien zwar nicht die größte Entsalzungsanlage der Welt, versorgt aber prozentual die meisten Menschen. Gemeinsam mit den Werken in Ashkelon, Palmahim und Hadera deckt Israel damit zur Zeit ganze 40 Prozent seines Wasserverbrauchs durch Entsalzungsanlagen und entlastet so die Süßwasserquellen des Landes wie den Jordan und den Kinneret.
Der Trend jedoch soll weitergehen: In diesem Jahr will Sorek seine Kapazität um weitere zehn Prozent steigern – die Hälfte des Leitungswassers in Israel würde damit aus dem Meer kommen. Zur Anwendung kommt dabei das Verfahren der Umkehrosmose, bei dem das Meerwasser unter hohem Druck durch unzählige Plastikmembranen gepresst wird, bis Salz und Wasser schließlich voneinander getrennt sind. »Die Anschaffung dieser Technik ist recht kostspielig und deswegen bis auf weiteres noch keine Alternative für Entwicklungsländer. Das ist der Hauptkritikpunkt«, so Voutchkov.
frischwasser In der Tat hat der Bau der Anlage die israelische Regierung mehr als 550 Millionen Euro gekostet. Nicht gerade ein realistischer Finanzierungsplan für wirtschaftlich schwächere Regionen. So sind die Länder, die zur Zeit von den Vorzügen der neuen Entsalzungstechnik profitieren, vor allem wohlhabende Nationen: Australien, Singapur, Saudi-Arabien, Israel und der US-Bundesstaat Kalifornien.
Laut der IDA sind jedoch weltweit ganze 18.426 Entsalzungsanlagen in Betrieb und produzieren bereits heute 86,8 Millionen Kubikmeter Frischwasser pro Tag. Damit versorgen sie insgesamt 300 Millionen Menschen. »Der Kritikpunkt, Entsalzung sei zu teuer, ist nicht ganz berechtigt«, widerspricht Voutchkov.
In der Tat sei ein Liter entsalztes Frischwasser etwa sechsmal teurer als normales Süßwasser. Jedoch hätten die betreffenden Länder dadurch eine höhere Motivation, ihr kostspielig erworbenes Wasser wiederzuverwenden: »Israel recycelt 80 Prozent des Wassers. Wenn Wasser teurer ist, steigt auch die Wertschätzung«, ist der Experte überzeugt. Durch die mehrfache Verwendung nehme der Preis dann wieder rapide ab.
Ökologie Auch die Natur würde auf lange Sicht von Entsalzung profitieren: Wasser, das aus dem Grund, Seen oder Flüssen entnommen werde, brauche manchmal mehrere Jahre, um durch Kondensation wieder in den Kreislauf einzutreten: »Entsalztes Wasser kann nach dem Gebrauch – natürlich gefiltert und behandelt – wieder in den Ozean zurückgeführt werden. Und das bereits nach einer Woche«, erklärt Voutchkov.
Einziges Problem sei das überschüssige Salz, dass bei Umkehrosmose übrigbleibt. Noch sucht die Industrie nach einer Strategie für die optimale Entsorgung. »Es kann mit dem gebrauchten Wasser quasi verdünnt wieder in den Ozean abgegeben werden«, sagt Voutchov. »Aber wenn es konzentriert und lediglich an einer Stelle abgegeben wird, riskiert man, die Meerestiere in der Nähe geradezu wie Gurken einzulegen.« Diese Probleme hält der Wissenschaftler jedoch für lösbar und nicht vergleichbar mit dem ökologischen Schaden, der durch eine Übernutzung der Süßwasserquellen geschieht.
Bedingt durch den Klimawandel werde Wasser in den nächsten Jahren auch politisch eine größere Bedeutung gewinnen. »Im Nahen Osten wird der drohende Wassermangel entweder zu Krieg führen oder die Akteure zu einer Lösung zwingen. Entsalzung ist eine Möglichkeit, die Lage zu entspannen.«