In David Grossmans Texten liegt Melancholie, die sich noch einmal mehr Raum greift, wenn Menschen in Dialog treten in sparsam gesetzten Sätzen. Und es sind ja gerade die Kleinkinderbücher, die sich den Luxus erlauben dürfen, mit nur ganz wenig Text auszukommen.
David Grossman schreibt schon immer auch für Kinder. Waren es in den 90er-Jahren – da waren seine eigenen Kinder noch klein - die Joram-Geschichten, die aus dem Hebräischen ins Deutsche übersetzt wurden, ist es heute Jotam, der in Opa, warum hast du Falten? mit seinem »Opa Amnon« im netten Café von Frau Aviva zusammensitzt. So ist das jeden Dienstag, weil der Opa dienstags den Jotam vom Kindergarten abholt. Welcher Gesprächsstoff sich dann entwickelt, ist ganz dem Zufall überlassen.
zugewandtheit Dieses Mal macht Jotam die Falten im Gesicht seines Opas zum Thema. Ein wenig erstaunt nimmt der Großvater den Faden auf, wie er generell so einer ist – und da sind wir uns ganz sicher –, der voller Zugewandtheit kein Wort des Kindes unbeachtet lässt. In wenigen Sätzen gibt er seinen Falten Geschichten: schöne (zur Geburt von Jotam), aber auch traurige.
Und es ist ja nicht so, dass ihm der kleine Enkel da, woʼs schwer wird, nicht sehr wissend zur Seite springen würde: »Traurige Dinge, wie als Oma Dina krank war?« Da wird das Eis dünn für die jungen Zuhörer, und so berührt auch Jotam immer wieder die Haut des Opas, was sehr viel Nähe und Körperlichkeit entstehen lässt.
Könnte gut sein, dass Grossman Opa, warum hast du Falten? nicht nur für den Enkel und damit alle Kinder ab vier bis fünf Jahren geschrieben hat, sondern auch für sich selbst. Auf Melancholie als Ton der Nachdenklichkeit setzt er auch für die Kleinsten.
ILLUSTRATIONEN Nimmt man den hebräischen Originaltitel von 2021 in die Hand, meint man, ein anderes Buch vor sich zu haben, was nicht an der Übersetzung von Anne Birkenhauer liegt, sondern an den Illustrationen.
Während »Jede Falte hat eine Geschichte« – so nämlich heißt das Buch im Hebräischen ziemlich treffend (im Deutschen liebt man Fragezeichen im Titel) – sehr konkret, farbenkräftig, lebendig, fast lustig von Maya Shleifer bebildert wurde, illustrierte für die deutsche (wie italienische Ausgabe – dort mit Titel: »Falten«) die in Mailand lebende Illustratorin »Ninamasina«. Mit einem leicht-blauen, luftigen Wasserfarbenstrich öffnet sie die Text-Bild-Schere sehr weit und damit auch den möglichen Gedankenaustausch der Bilderbuchbetrachter.
David Grossman: »Opa, warum hast du Falten?«. Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer. Ab vier Jahren. Hanser, München 2023,
40 S., 17 €