Er hat gleich mit ganzer Kraft losgelegt. Werner Arnold ist seit dem 1. Oktober neuer Rektor der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg (HfJS). Für eine zweijährige Amtszeit tritt der emeritierte Heidelberger Universitätsprofessor für Semitistik die Nachfolge von Johannes Heil an.
Mit der Hochschule für Jüdische Studien verbinde ihn eine lange Zusammenarbeit, sagt Arnold im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. Er hat innerhalb kurzer Zeit nicht nur sein Büro bezogen, sondern sich auch schon einen internen Überblick verschafft. So habe er Gespräche mit Studierendenvertretern und dem Studiendekan, mit dem IT-Beauftragten und dem Hochschulrabbiner geführt.
Arnold will Seminare zu arabischen Dialekten israelischer Juden anbieten.
Der neue Hochschulrektor muss sich unter anderem mit der aktuellen Corona-Lage auseinandersetzen. Für das am 2. November beginnende Wintersemester ist eine Mischung aus Präsenzlehre und digitalen Veranstaltungen vorgesehen.
Doch inzwischen hat sich das Infektionsgeschehen wieder spürbar intensiviert. »Einige Kollegen haben sehr große Bedenken, Präsenzunterricht durchzuführen«, berichtet Arnold. Den Lehrenden werde daher freigestellt, ob sie ihre Veranstaltungen vor Ort oder online anbieten. Die Teilnehmerzahl im Verhältnis zur Raumgröße spielt für das Zustandekommen von Präsenzveranstaltungen ebenso eine Rolle wie die jeweils aktuellen Verordnungen der baden-württembergischen Landesregierung.
DIALEKT Auch Werner Arnolds Lehre ist von den verschärften Corona-Bedingungen betroffen. Im Wintersemester bietet er eine Einführung in das palästinensische Arabisch an. Es gehe dabei um den Stadtdialekt, wie er beispielsweise in Jerusalem und Haifa gesprochen wird, erläutert Arnold. In den Räumen der Hochschule müsste der Kurs mit Mund-Nasen-Schutz stattfinden.
Arnold weist darauf hin, dass es schwierig sei, eine neue Sprache samt Aussprache auf diese Weise zu erlernen. Der Sprachkurs ist hauptsächlich für Studenten des Masterstudiengangs Nahoststudien gedacht, steht aber auch allen anderen Studenten der Hochschule für Jüdische Studien offen. Auch angehende Islamwissenschaftler der Universität Heidelberg können teilnehmen.
Im Erlernen des palästinensischen Arabisch sieht Werner Arnold eine Grundlage, um sich mit den in Israel lebenden arabischsprachigen Menschen zu verständigen.
Künftig möchte er auch Lehrveranstaltungen zu den arabischen Dialekten israelischer Juden anbieten. Hier liegt Arnolds wissenschaftliche Expertise. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem das Neuwestaramäische, das heute nur noch in drei syrischen Dörfern gesprochen wird, arabische Dialekte in der Türkei und Israel, speziell südlich von Tel Aviv, sowie Sprachen und Kulturen von Minderheiten im Nahen Osten, vor allem arabischsprachigen Juden. »Es geht mir darum, Kulturen zu verstehen«, sagt Arnold. Und das gehe nur über die Sprache, ergänzt er.
ISRAEL Überhaupt möchte Arnold, dass die Studenten das heutige Israel kennenlernen, und das nicht nur anhand von Büchern. Es sei wichtig, dorthin zu fahren. Israel sei ein Land mit großer Vielfalt und vielen Kulturen. Eine geplante Exkursion musste jedoch wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. »Ich möchte eine größere Nähe zu Israel schaffen«, betont Arnold. Das könne sich auch in Forschungskooperationen niederschlagen. Arnold war zweimal Fellow am Institute for Advanced Studies an der Hebräischen Universität Jerusalem; 2007 war er dort Gastprofessor. Die Forschung und Lehre über das deutsche und europäische Judentum auf den Orient und Israel zu erweitern – »das wäre mein Wunsch«, sagt Arnold.
Die Forschungsarbeit der HfJS möchte der neue Rektor verstärkt in die Öffentlichkeit tragen.
Der jüdisch-muslimische Dialog liegt Werner Arnold ebenfalls am Herzen: »Ich halte das für sehr wichtig.« Er habe sein ganzes Leben lang immer mit Muslimen zusammengearbeitet und spreche Arabisch. Er könne einen Beitrag zum Dia-log leisten, ist Arnold überzeugt. Er hebt den in Kooperation mit der Heidelberger Universität angebotenen Studiengang Nahoststudien hervor, in dessen Rahmen sich Juden und Muslime verstärkt begegneten. Arnold erwähnt zudem das an der Hochschule für Jüdische Studien angesiedelte Podcast-Projekt »Mekka und Jerusalem« zu den jüdisch-muslimischen Beziehungen.
GEMEINDEN Ein weiteres Anliegen, dessen Wichtigkeit Arnold betont, ist die Nähe zu den jüdischen Gemeinden in Deutschland. Der neue Rektor der vom Zentralrat der Juden getragenen Hochschule möchte mit Gemeinden ins Gespräch kommen, um dort Veranstaltungen zur jüdischen Kultur auszurichten, die auf der Forschungsarbeit der Hochschule basieren. »Die Hochschule sollte kein Elfenbeinturm sein«, sagt Arnold. Man habe die Verpflichtung, Forschungsergebnisse einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Die Vorsitzende des Kuratoriums der Hochschule für Jüdische Studien, Barbara Traub, sagte anlässlich von Arnolds Berufung, man habe sich unter anderem deswegen für ihn entschieden, weil er der Hochschule und ihren Mitgliedern schon seit Jahrzehnten durch gemeinsame Forschungsprojekte sehr verbunden sei und über sein Engagement im Wissenschaftlichen Beirat der HfJS bereits Impulse gesetzt habe.
Er habe zum Beispiel schon Lehrveranstaltungen zum Aramäischen durchgeführt und als Gutachter Doktorarbeiten mitbetreut, ergänzt Arnold. Auch seinen Stellvertreter Frederek Musall, Professor für Jüdische Philosophie und Geistesgeschichte, kennt Werner Arnold schon seit einigen Jahren: »Er hat bei mir als Student Arabisch gelernt.«