Der Zentralrat der Juden in Deutschland fordert von Bayern eine schnelle Aufklärung von Vorwürfen, Hunderte von Kunstwerken in staatlichem Besitz seien zum Teil seit Jahren als NS-Raubkunst eingestuft, aber dennoch nicht an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben worden.
»Wenn die Recherchen der Süddeutschen Zeitung über zurückgehaltene Informationen zu NS-Raubkunst in der staatlichen Gemäldesammlung des Freistaats Bayern zutreffen, dann wäre das ein Eklat«, sagte ein Sprecher des Zentralrats der Jüdischen Allgemeinen.
»Wir erwarten eine umfassende und schnelle Aufklärung und Stellungnahme der Gemäldesammlung und der politischen Verantwortlichen des Freistaates Bayern. Unabhängig davon ist der ganze Vorfall ein weiterer Grund für die schnelle Einführung eines verbindlich geltenden Restitutionsgesetzes«, fügte er hinzu.
Die »Süddeutsche« berichtete in ihrer Donnerstagsausgabe ausführlich über ein 900 Seiten langes, interes Dokument der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Darin werden rund 200 Kunstwerke als gelistet, die den Erkenntnissen von Provenienzforschern zufolge erwiesenermaßen in der NS-Zeit ihren Eigentümern entwendet wurden. Die der Zeitung zugespielte Liste ist demnach nur ein Auszug aus einer weit größeren Datenbank der Staatsgemäldesammlungen, in der sich auch 800 Kunstwerke befinden sollen, bei denen der Verdacht besteht, es handele sich um Raubkunst.
Auch die Jewish Claims Conference, die die Ansprüche jüdischer Nazi-Opfer gegenüber dem deutschen Staat vertritt, zeigte sich verstört über die jüngsten Enthüllungen. Rüdiger Mahlo, der Repräsentant der Organisation in Europa, forderte ebenfalls eine »umfassende und schnelle Aufklärung.« Der Freistaat Bayern habe sich verpflichtet, NS-Raubkunst zu restituieren, betonte Mahlo. »Wenn sich der Bericht der SZ bestätigen sollte, wäre das für uns ein Vertrauensbruch und die jüngst erzielten Fortschritte stünden infrage.«
Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen teilten der »Süddeutschen Zeitung« auf Nachfrage mit, bei der Liste handele es sich um ein »reines Arbeitsmittel«, der nur den aktuellen Stand der Recherchen abbilde und sich ständig ändere. Eine Argumentation, die die Opferseite kaum überzeugen dürfte.
In Berlin zeigte sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth besorgt über die Meldungen aus Bayern. »Es wäre ein Skandal, wenn hier Erkenntnisse über NS-Raubkunst bewusst zurückgehalten wurden und werden«, wurde sie von mehreren deutschen Medien zitiert. Es handele sich hier um einen Fall von »mangelnder Transparenz« sowie »möglicherweise um bewusstes Verschleiern und Verhindern von fairen und gerechten Lösungen«, so die Grünen-Politikerin. mth