Eigentlich wäre Harvey J. Alter am liebsten professioneller Baseball-Spieler geworden. »Aber es gab da einige Hindernisse – ich konnte nicht schlagen, und ich konnte nicht fangen.« Also studierte der 1935 geborene Virologe Medizin.
»Als einziger Sohn von jüdischen Eltern in New York City war es schließlich vorbestimmt, dass ich Arzt werden würde«, witzelte er später einmal im Fachjournal »Hepatology«.
Karriere Nach dem Studium fing er seine wissenschaftliche Karriere bei den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA (NIH) an. Schon in seinen ersten Jahren dort entdeckte Alter einen speziellen Oberflächenpartikel in der Hülle des Hepatitis-B-Virus. »Für viele Wissenschaftler wäre das das Highlight ihrer Karriere gewesen«, sagte der frühere Chef der NIH-Transfusionsmedizin Harvey Klein einmal. »Für Dr. Alter war es nur ein verheißungsvoller Anfang.«
Für seine Arbeit ist Alter, der zum zweiten Mal verheiratet ist und zwei Kinder hat, vielfach ausgezeichnet worden – vor dem Nobelpreis unter anderem mit dem renommierten Lasker-Preis und dem kanadischen Gairdner-Preis.
Der Nobelpreis sei »überfällig« gewesen, sagte Michael Manns, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover, nach Bekanntwerden der Nachricht - und beschrieb Alter als sehr humorvoll und zugewandt. Der Virologe sei dafür bekannt, dass er Gedichte zu wissenschaftlichen Themen schreibe.
Telefonanruf Allerdings freute sich Alter zuerst überhaupt nicht über die nächtliche Störung aus Stockholm. Als das Telefon bei ihm an der US-Ostküste gegen 4.45 Uhr klingelte, habe er gedacht, was denn zum Teufel los sei, sagte Alter in einem Telefonat, das am Montag auf dem offiziellen Twitter-Account der Nobelpreise veröffentlicht wurde.
Fünf Minuten später habe es wieder geklingelt, wieder habe er nicht abgenommen, sagte Alter. »Beim dritten Mal bin ich dann wütend aufgestanden, um ranzugehen - dann war Stockholm dran. Das war eine verrückte Erfahrung.«
Sein Ärger sei innerhalb einer Sekunde dem Schock gewichen. »Das ist etwas, von dem du denkst, dass es niemals passieren wird und manchmal, dass du nicht verdient hast, dass es passiert. Und dann passiert es in diesem verrückten Covid-Jahr, in dem alles ohnehin auf den Kopf gestellt worden ist.«
Traum »Mein Leben ist ein Traum gewesen«, schrieb Alter im Fachjournal »Hepatology«. »Das einzige Problem ist, dass es nicht mein Traum war. Ich habe nie davon geträumt, in die Forschung zu gehen. Ich habe nie von Entdeckungen oder dem Gewinn renommierter Preise geträumt.«
Eigentlich habe er sich immer als ganz normaler Praxisarzt gesehen, aber dann sei alles ganz anders gekommen. Er würde gerne immer so weiter machen. »Ich habe schon meine Grabinschrift verfasst, um mein immer wiederkehrendes zeitliches Dilemma zu umfassen: ›Wie im Leben, ihm ist die Zeit ausgegangen.‹«. dpa