In Berlin, das bekanntermaßen sonst keine Probleme hat, wird gestritten, ob die Hauptstadt nicht einen zusätzlichen arbeitsfreien Feiertag braucht. Ins Rollen gebracht hat die Debatte die AfD. Sie will den Reformationstag am 31. Oktober im Kalender verankern. Schließlich sei Berlin protestantisch. Zudem hätten Berliner Arbeitnehmer bundesweit die wenigsten arbeitsfreien Tage. Schon weil der Vorschlag von der Rechtspartei kam, wurde er im Abgeordnetenhaus natürlich mit großer Mehrheit abgelehnt.
Dem sozialpolitischen Aspekt aber wollten die anderen Fraktionen sich nicht verschließen. Welcher Politiker will sich schon Arbeitnehmerunfreundlichkeit nachsagen lassen? (Bis auf die FDP natürlich, die – pfui, neoliberal – meinte, bevor Berlin einen zusätzlichen Feiertag einführe, solle die Stadt erst einmal zur durchschnittlichen Wirtschaftskraft der übrigen Republik aufschließen.)
Und so diskutiert Berlin jetzt darüber, an welchem weiteren Tag im Jahr Beschäftigte ausschlafen dürfen. In der Diskussion sind unter anderem der 8. Mai (Befreiung vom Nationalsozialismus), der 23. Mai (Tag des Grundgesetzes) oder der 27. Januar (Befreiung von Auschwitz). Aus den Reihen der regierenden SPD kam zudem der Vorschlag, einen multireligiösen gemeinsamen Feiertag für Christen, Muslime und Juden einzuführen. Die Idee hat Charme. Zumal es ein solches Datum potenziell bereits gibt.
Interreligiosität Alljährlich am letzten Freitag des islamischen Fastenmonats Ramadan begehen radikale Islamisten weltweit den Al-Quds-Tag zur Befreiung Jerusalems vom zionistischen Joch. In Berlin sammeln sich an diesem Tag traditionell Anhänger des Mullah-Regimes und der Hisbollah (Muslime), unterstützt von biodeutschen Links- und Rechtsextremen (Christen?), am Adenauerplatz und marschieren den Kurfürstendamm herunter.
Ebenso traditionell stellen sich ihnen dort Mitglieder der Jüdischen Gemeinde und andere Freunde Israels entgegen, unter ihnen ebenfalls Christen und vor allem Konfessionslose, die in der Berliner Religionsstatistik eh die größte Gruppe stellen. Für die notwendige Interreligiosität ist also gesorgt. Nur der Name sollte erweitert werden: »Al-Quds-/Jerusalemtag/Jom Jiruschlajim« hätte den nötigen multikulturellen Sound. Über das Copyright für den hebräischen Namen müsste man noch mit den Israelis verhandeln.
Als Höhepunkt des neuen Feiertages – und als weiteres touristisches Highlight nach Christopher Street Day und Karneval der Kulturen – könnten beide Gruppen dann auf Höhe der Gedächtniskirche die Schlacht um Jerusalem von 1967 nachstellen. Die endete bekanntlich mit einem jüdischen Sieg. Die unterlegene muslimische Seite würde sich geschlagen, aber unbelehrbar, zurückziehen und blutige Rache beim nächsten Mal schwören, nur um dann erneut auf die Schnauze zu fliegen. Die Christen dürften derweil vergeblich friedliche Verständigung beschwören. Und so weiter jedes Jahr, da capo al fine. Ganz wie im richtigen Leben.