Zwei alte jüdische Frauen bereiten in ihrer Pariser Küche gehackte Leber zu und unterhalten sich dabei. Die Schwestern Selma und Erika (genannt Eri) Meyer, 89 und 86 Jahre alt, waren kürzlich erstmals seit mehr als 50 Jahren zu Besuch in ihrer Heimatstadt Osnabrück. Die dortige Stadtverwaltung hatte sie eingeladen, als Ehrengäste bei einer Gedenkveranstaltung für die ehemalige Jüdische Gemeinde teilzunehmen – eine Woche im besten Hotel am Ort, Kulturprogramm und Frühstücksbüffet inklusive. Selma und Erika hatten sich zu der Visite wider Willen breitschlagen lassen: »Mit fast neunzig können Sie doch nicht absagen. Sie beide, unsere letzten Juden. Sie müssen unsere Jugend erziehen.«
Hélène Cixous’ Zweipersonenstück dauert nur etwa eine Dreiviertelstunde. Doch in diesen rund 45 Minuten wird dem Zuschauer eine konzentrierte Dosis Geschichte vermittelt, und das ohne didaktischen Zeigefinger, Horrorstorys oder Sentimentalitäten. Selma und Eri berichten ganz beiläufig, fast amüsiert, von der Absurdität derartiger Versöhnungsbesuche »ehemaliger jüdischer Mitbürger«, wie sie offiziell heißen. Vor allem aber erzählen sie vom alltäglichen Antisemitismus in der deutschen Provinz vor Hitler. Die beiden Schwestern waren mit ihren Eltern bereits 1930 nach Frankreich ausgewandert, hatten deshalb, wie Selma ironisch meint, wahrscheinlich gar nicht genug gelitten für die Zwecke der Gedenkveranstaltung. Sie mussten keine Judensterne tragen, kamen nicht mit Viehwaggons in Vernichtungslager. Sie wurden nur nicht zu christlichen Mitschülerinnen nach Hause eingeladen, ihrer großen Nasen wegen gehänselt, in der Tanzstunde als Mauerblümchen sitzen gelassen. Der »gesunde Antisemitismus«, wie Selma ihn nennt, an den sich die deutschen Juden vor 1933 längst gewöhnt hatten. Und von dem bei der Gedenkveranstaltung natürlich nicht die Rede sein durfte. Denn der deutsche Judenhass hat bekanntlich erst mit Hitler angefangen und ist mit ihm auch 1945 zu Ende gegangen.Lore Stefanek als Selma trägt das von Anne Schneider unaufdringlich inszenierte Stück. Juliane Gruner tut sich dagegen schwer, die 96-jährige Erika zu geben. Für diese Rolle ist sie schlicht zu jung; ihr Spiel wirkt streckenweise sichtlich bemüht. Dennoch: Dieses kluge, kleine Stück lohnt den Besuch.
»Das darf man nicht sagen«, Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin. Nächste Aufführungen 26. Januar und 11. Februar
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