Herr Troyke, seit Anfang des Monats sind im Rahmen der Corona-Maßnahmen auch sämtliche Kulturveranstaltungen abgesagt. In welcher Form betrifft Sie das persönlich als Sänger und Musiker?
Im Frühjahr wurden viele ausgefallene Konzerte auf den Herbst verlegt. Da sah mein Kalender im Herbst und Winterbeginn ziemlich voll aus. Jetzt fallen bei mir etwa 20 Veranstaltungen weg. Auch die Jüdischen Kulturtage, an denen ich in einigen Projekten beteiligt sein sollte, fallen vollständig ins Wasser.
Wie wirkt sich das wirtschaftlich auf Sie aus? Können Sie die Zeit überbrücken, oder bekommen Sie staatliche Hilfen?
Ich habe von staatlichen Hilfen noch nichts gehört. Könnte sein, dass da noch welche kommen, besonders nachdem der berühmte Trompeter Till Brönner das gefordert hat. Aber so richtig vertraue ich darauf nicht. Ein klein wenig Geld habe ich noch und kann bis zum nächsten Sommer durchhalten. Viele Kollegen konnten allerdings ebenso wenig oder auch gar nichts zurücklegen, wer ist schon ein Popstar mit großen Hits? Nicht zu zählen die vielen, die dazugehören: Licht, Ton, Organisatoren.
Können Sie die Maßnahmen verstehen?
Verstehen kann ich alles, sowohl die Maßnahmen als auch die Argumente dagegen. Was richtig ist, wird sich zeigen. Es ist nicht so, dass ich das wirklich einschätzen kann. Im Moment beobachte ich fast nur. Weder sage ich »Wir müssen jetzt alle nur noch vorsichtig sein«, noch bin ich engagiert in irgendeiner großen Gegenbewegung, obwohl ich auch da einige mutig und klug finde.
Inwiefern?
Natürlich ist das Leben jedes einzelnen Menschen so wertvoll, dass man es retten muss. Wenn man aber an den wirtschaftlichen Lockdown im Frühjahr denkt, dann betraf der ja auch Länder, in denen jetzt der Hunger zunimmt, zum Beispiel, weil die Lieferketten zusammengebrochen sind.
Wie werden Sie denn Ihre nächsten Monate verbringen?
Ich tue natürlich, was Künstler tun: weiter schreiben, weiter aufnehmen, recherchieren. Man kann ja auch da viel Gutes in einer Auszeit machen. Langweilen kann ich mich also gar nicht, konnte ich noch nie.
Wenn die Einschränkungen länger andauern und es auch für Sie schwierig wird, haben Sie dann einen Plan B?
Nein, ich habe keinen Plan B. Als ich hörte, dass Kulturstaatsministerin Monika Grütters von der Grundsicherung für Künstler sprach, dachte ich: »Ach so, Hartz IV.« Und dann habe ich aufgehört, darüber nachzudenken, denn das möchte ich nicht. Bis dahin suche ich mir dann doch vielleicht irgendetwas anderes. Es gibt jetzt eine Situation, die wir früher nicht kannten, nämlich: nicht an die Zukunft denken. Man hat ja immer bestimmte Pläne, das ist jetzt bei mir geschrumpft auf die Studioarbeit. Aber auch da bin ich in einer glücklichen Lage, denn ich habe ein Studio zu Hause.
Gibt es also bald eine neue CD von Ihnen?
Auf jeden Fall. Ich grabe nach wie vor in alten Materialien jiddische Lieder aus, die keiner mehr kennt, singe jeden Freitag privat mit Sara Bialas-Tenenberg, die bald ihren 93. Geburtstag hat. Und außerdem habe ich vor, Lieder aus Ost-Berlin, die mich geprägt haben, neu aufzunehmen, Lieder von Bettina Wegner und Wolf Biermann. Von beiden habe ich mir jeweils acht Lieder ausgesucht, die ich auf meine Weise interpretieren möchte. Da bin ich aber noch nicht sehr weit gekommen. Und noch eine weitere Sache mache ich: Die Schauspielerin und Autorin Miriam Sachs, mit der ich schon öfter szenische Lesungen gemeinsam gemacht habe, hat im April an einer Corona-Impfstudie als Probandin teilgenommen und darüber literarisch ein Tagebuch geschrieben. Daraus wollen wir hörspielartige Podcasts machen. Den ersten haben wir letzte Woche fertiggestellt. Sie klopft gerade an diverse Türen, ob das eine Zeitung oder der Hörfunk bringen kann. Aber wir machen erst mal. Immer erst mal machen und dann gucken.
Mit dem Chansonsänger und Schauspieler sprach Ingo Way.