Das Schönste in Zürich sei eindeutig der Bahnhof und dort der Zug nach Basel. An den etwas angejahrten Witz, mit dem manche Basler ihrer Abneigung gegen die als arrogant empfundenen Zürcher immer wieder einmal Ausdruck verleihen, muss auch Rabbiner Gabriel Klein im neuen Krimi Der Messias kommt nicht an einer bestimmten Stelle denken. Denn Basel und nicht Zürich ist diesmal Schauplatz seiner Mörderjagd.
Wieso das so ist, hat so seine Geschichte. Und die erzählt der in Basel aufgewachsene Alfred Bodenheimer ziemlich spannend und auch humorvoll. Klein kommt nämlich in den Genuss eines Sabbatical, das ihm der Vorstand der Zürcher Gemeinde großzügig gewährt. Er benutzt es, um über eine Schrift des Gelehrten und Hebraisten Sebastian Münster zu forschen, der im 16. Jahrhundert tatsächlich gelebt hat – und zwar in Basel. Dorthin pendelt Rabbiner Klein dann auch, um quasi vor Ort Wissenschaft betreiben zu können. In Münsters Werk streiten ein Christ und ein Jude darüber, ob der Messias schon gekommen ist oder noch kommen wird.
Streit Dumm nur, dass der Rabbiner der Basler Gemeinde eben eine Art Burn-out erlitten hat und Rabbiner Klein angefragt wird, ob er an dessen Stelle einen Gemeindeschabbat in einer evangelischen Tagungsstätte irgendwo auf dem Land leiten könnte. Rabbiner Klein sagt zu und bereut dies schon bald. Denn kurz darauf wird er in einen verbissenen Streit zwischen dem Vorstandsmitglied Stéphane Hutmacher und Gemeindechasan Jedidia Strumpf hineingezogen.
Hutmacher möchte Strumpf aus verschiedenen Gründen loswerden. Und weil Rabbiner Klein das Verbrechen anscheinend magisch anzieht, liegt Hutmacher nur wenige Stunden nach dem Freitagabendessen erschossen auf einer Wiese – und Strumpf ist verschwunden.
Der Verdacht fällt damit selbstverständlich auf Strumpf, aber auch auf andere. Zum Beispiel auf eine Gruppe von Skinheads, die durch den geschwätzigen Koch der Tagungsstätte in der Kneipe der Nachbargemeinde erfahren hat, dass Juden das Wochenende in ihrer Nähe verbringen, und für »Stimmung« sorgen will. Die Lösung des Falls ist dann aber einigermaßen überraschend und wird Rabbiner Klein von seiner Gattin Rivka, die mit seinem Basler Abstecher eigentlich überhaupt nichts anfangen kann, sozusagen auf dem Tablett präsentiert.
Insider Hat sich Alfred Bodenheimer in seinen ersten beiden Krimis über Sitten und Gebräuche der Zürcher Gemeinde ausgelassen, ohne allzu deutlich zu werden, ist es hier, wo es um Basel geht, anders: Schließlich wissen nicht nur die Mitglieder der Israelitischen Gemeinde Basel seit Langem, dass es tatsächlich einen Konflikt zwischen dem Vorstand und dem Chasan gab. Der ist wohl – zumindest vordergründig – inzwischen gelöst, gab dem Autor wohl aber die Idee für seinen Plot.
Ein hartes Urteil fällt in dieser Sache Rabbiner Klein. An einer Stelle des Krimis sagt er: »Die sollten sich in dieser Gemeinde doch die Köpfe einschlagen, was sie offensichtlich taten, weil sie in ihrem kleinkarierten Sumpf miteinander nicht mehr klarkamen.«
Nach der Aufklärung des Mordes fährt der Rabbiner dann sozusagen mit dem Gegenzug erleichtert wieder an die Limmat. Aber nicht nur die jüdische Gemeinde, auch der universitäre Betrieb, den Alfred Bodenheimer als Leiter des Institutes für Jüdische Studien in Basel en détail kennt, bekommt in diesem Buch sein Fett weg – was es umso interessanter macht.
Alfred Bodenheimer: »Der Messias kommt nicht«. Nagel & Kimche, Zürich 2016, 208 S., 19,90 €