Schlappe vier Jahrzehnte hat er kein Album mehr mit eigenen Songs gemacht. Mitte November, gute zwei Wochen nach seinem 71. Geburtstag, ist The Loneliest Man I Ever Met erschienen, mit einem Dutzend neuer Songs, die zwischen Songwriting und Country pendeln. Die Texte sind sparsam instrumentiert und geprägt von Lakonie und präzisem Gespür für Intonation.
Die Verse sind durchtränkt von einer altersreifen, von Tabak, Alkohol und Kokain gegerbten Stimme. So kennt man Kinky Friedman seit Anfang der 70er-Jahre, als er mit seinen Texas Jewboys Songs wie »They Ain’t Makin’ Jews Like Jesus Anymore« Furore machte. Ein »Jewish Cowboy«, wie er hierzulande undenkbar wäre. Kein Mensch würde im Country-Style über Auschwitz singen wie Friedman damals in »Ride ’Em Jewboy«.
Jesus Das Repertoire der neuen CD umspannt nur drei Songs aus eigener Feder, darunter der Titelsong sowie zwei ältere Nummern. »Lady Yesterday« stammt vom legendären Album Lasso from El Paso von 1976, das damals mit Eric Clapton, T-Bone Burnett und Ringo Starr als Jesus aufwarten konnte. Und »Wild Man from Borneo« ist eine Reminiszenz an Friedmans dreijährige Zeit bei den Peace Corps in Borneo.
Eine Reminiszenz an vergangene Tage sind auch die übrigen Songs, denn fast alle alten Weggefährten tauchen auf: Als Pianist aus Texas-Jewboys-Zeiten ist Little Jewford dabei, mit dem Friedman auch Tequila der Marke »Man in Black« vertreibt. Daneben die Country-Ikone Willie Nelson, von dem »Bloody Mary Morning« stammt – ein Duett, das so wunderbar schräg das Album eröffnet, dass man kaum glauben mag, Friedman rauche Haschisch höchstens »der Etikette wegen«, wenn sein Freund Willie zu Besuch kommt. Von Tom Waits stammt »Christmas Card from a Hooker in Minneapolis« und von Johnny Cash »Pickin’ Time«.
Die meisten Songwriter des Albums haben ihre Zeit nicht überlebt: »Freedom to Stay« stammt von der Country-Ikone Waylon Jennings und »That Shit’s Fucked Up« von Warren Zevon. Auch die Broadway-Komponisten von »Wandrin’ Star« (Lerner/Loewe) und »A Nightingale Sang in Berkeley Square« (Maschwitz/Sherwin) sind Längst im Nirwana der Musikgeschichte. Viele dieser Songschreiber waren vom Leben und von Drogen gezeichnet – wie Kinky Friedman selbst.
Feministinnen Dabei fing alles ganz gut an: Der 1944 geborene Friedman gründete seine erste Band, als er noch Psychologie studierte. Schon mit seiner zweiten Band The Texas Jewboys schrieb er Geschichte. Und er provozierte mit Songs wie »How Can I Tell You I Love You (When You’re Sitting On My Face)«. Das waren noch Zeiten, als Friedman Vorwürfe von Feministinnen grandios parieren konnte: »I’m the Sexiest!«
Doch schon Ende der 70er wurde es musikalisch stiller um ihn. Stattdessen begann Friedman, Krimis zu schreiben – und musikalisch abzuhalftern. 2006 wollte er dann Gouverneur von Texas werden, wurde aber unter den fünf Anwärtern nur Vierter. Vielleicht war die Zeit noch nicht reif für Parolen über die Legalisierung von Haschisch.
Hängen geblieben sind Geistesblitze wie dieser: »Die Deutschen sind mein zweitliebstes Volk. Mein liebstes sind alle anderen.« Doch das macht Friedman nicht zu »einem der besten Songwriter unserer Zeit«, wie das Tablet Magazine schreibt. Wer jüdische Countrymusik liebt, sollte sich lieber Philippe Cohen Solals Moonshine Sessions anhören – oder Friedmans alte Platten.
Aber bei aller Kritik: Kinky Friedmans The Loneliest Man I Ever Met ist ein Alterswerk, das man unbedingt einmal gehört haben muss.