Die sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben am Montag in ihrer ersten öffentlichen Stellungnahme erklärt, sie seien »irritiert«, dass die Leitung der documenta trotz ihres Bekenntnisses zur Offenheit schon bei ihrer Einsetzung »wesentliche Fragen des Umgangs mit antisemitischer Kunst festzulegen scheint«.
Die von ihr vertretene Position, dass weder weitere Kunstwerke aufgrund antisemitischer Inhalte entfernt werden müssten, noch eine systematische Prüfung der Werke notwendig sei, widersprächen einem »fachlichen und ergebnisoffenen Dialog«.
Scharfe Kritik übt der Expertenrat auch daran, dass die Wirkung der Debatte um die antisemitischen Kunstwerke auf die jüdische Gemeinschaft in den öffentlichen Stellungnahmen der documenta bislang kaum berücksichtigt worden sei. »Wir werden uns als Gremium dafür einsetzen, dass jüdische Perspektiven bei der Aufarbeitung der Vorgänge bedacht und eingebunden werden.«
Um die zahlreichen judenfeindlichen Eklats bei der documenta aufzuarbeiten, soll die Schau in den kommenden Monaten von sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fachwissenschaftlich begleitet werden. Diese wurden heute Morgen der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Hauptarbeit der Experten werde über den Ausstellungszeitraum hinausreichen, da auch vertiefende wissenschaftliche Studien initiiert werden könnten, teilten die Gesellschafter der Ausstellung, die Stadt Kassel und das Land Hessen, mit.
Den Vorsitz des Gremiums übernimmt Nicole Deitelhoff, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) und geschäftsführende Sprecherin des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ).
Zu dem Team gehören neben Deitelhoff die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermannn, die Professorin für Diskriminierung und Inklusion in der Einwanderungsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences, Julia Bernstein, und die Psychologin und Verhaltenswissenschaftlerin Marina Chernivsky.
Der massiv in der Kritik stehende Kasseler Oberbürgermeister und Vorsitzende des documenta-Aufsichtsrats, Christian Geselle (SPD), formulierte bei der Einsetzung des Gremiums die Erwartung, »dass unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Kunstfreiheit Hinweisen auf mögliche antisemitische Bildsprache und Beförderung von israel-bezogenem Antisemitismus nachgegangen wird«.
Die hessische Kunstministerin und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Angela Dorn (Grüne) gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die »Aufarbeitung des Geschehenen und ein Lernen für die Zukunft« das verloren gegangene Vertrauen wieder zurückgewinnen kann. epd/ja/dpa