Ein Zeichen der Aussöhnung wolle sie setzen, sagte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) anlässlich ihrer Israelreise in der vergangenen Woche. Doch nicht nur der obligatorische Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem stand auf dem Reiseplan der Politikerin, deren Bundesland in letzter Zeit wegen der rechtsradikalen Terrorzelle NSU eher für negative Schlagzeilen gesorgt hatte. Zwischen Gesprächen mit israelischen und palästinensischen Offiziellen machte die Landeschefin auch eine Ankündigung von innenpolitischer Brisanz: In dem Freistaat, sagte Lieberknecht, solle eine Fakultät für Jüdische Studien eingerichtet werden.
Der Platz der künftigen Fakultät solle die Universität Erfurt sein, wie Lieberknecht dem Mitteldeutschen Rundfunk sagte. Denn dort gibt es bereits jetzt einen Lehrstuhl für Judaistik, der entsprechend ausgebaut werden könne.
Die Thüringer Staatskanzlei teilte mit, dass der formelle Auftrag zur Gründung der Fakultät bereits im Januar erteilt werden solle. Als Forschungsschwerpunkte nannte die Staatskanzlei Geschichte, Religion und Kultur des Judentums in Deutschland und Europa. Bei der Aufarbeitung dieser Geschichte sollten »neue wissenschaftliche Akzente« gesetzt werden, hieß es. Die Staatskanzlei berief sich außerdem auf das jüdische Erbe der Landeshauptstadt Erfurt – namentlich den Jüdischen Schatz und die Alte Synagoge –, das für die Forschung genutzt werden müsse.
Zentrum Brisanz bekommt diese Ankündigung vor dem Hintergrund der Debatte um das Abraham-Geiger-Kolleg (AGK) in Potsdam und die Gründung einer Fakultät für Jüdische Theologie im Bundesland Brandenburg. AGK-Direktor Walter Homolka möchte bekanntlich sein Institut zu einer vollwertigen Universitätsfakultät aufgewertet sehen (vgl. Jüdische Allgemeine vom 17. November 2011).
Doch die Brandenburger Mühlen mahlen Homolka zu langsam, obwohl sich die parteilose Wissenschaftsministerin Sabine Kunst bereits für die Gründung einer solchen Fakultät ausgesprochen hatte. Eine endgültige Entscheidung, sagte Kunst vor wenigen Tagen, solle aber erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2012 getroffen werden. Die Fakultät in Potsdam wäre dann Teil des geplanten Zentrums für jüdische Studien Berlin-Brandenburg, das der Bund mit 4,3 Millionen Euro bezuschussen will und das sämtliche wissenschaftliche Einrichtungen der Region, die sich mit Judentum beschäftigen, bündeln soll.
Das Geiger-Kolleg, das bereits Gespräche mit der Universität Erlangen-Nürnberg über einen möglichen Umzug nach Bayern geführt hat, zeigt sich nun auch von der Ankündigung der Thüringer Ministerpräsidentin erfreut. Was in Brandenburg zwei Jahre dauere, sagte Homolka den Potsdamer Neuesten Nachrichten, »wird in Thüringen mit wenigen Telefonaten geklärt. Das hat Handschlagqualität.« Doch auch in Erfurt wird sich eine Fakultät nicht in kürzester Zeit aus dem Boden stampfen lassen. Das Ringen um die Jüdischen Studien geht also weiter.