Ein paar Tage ist es nun schon her, dass die SAT.1-Sendung Promi Big Brother zu Ende gegangen ist, aber wirklich verwunden habe ich immer noch nicht, dass Zachi Noy, ein Held meiner frühen Jugend, an der fünften Staffel teilgenommen hat. (Gewonnen hat das tränenreiche Finale übrigens ein Mann namens Jens Hilbert, von dem ich zuvor noch nie gehört hatte und der als Enthaarungs-Unternehmer bekannt wurde, aber das nur nebenbei.)
Zachi Noy, das war der dicke Jugendliche aus Eis am Stiel. Ich fand den Streifen um die Freunde Benny, Momo und den dicken Johnny im Tel Aviv der 50er-Jahre, die ständig versuchten, Sex mit Mädchen zu ergattern, zwar nicht herausragend, aber immerhin lustig und in meinem damaligen Alter mit seinen einseitigen Leiden auch verständlich. Und da sitzt nun Johnny, inzwischen 64 Jahre alt, in Unterhosen und T-Shirt wie ein Angeklagter auf einem Euro-Paletten-Sofa im »Nichts« des Promi Big Brother-Sets, trägt eine rote Meerjungfrauen-Perücke, soll blöde Fragen beantworten und das ganze auch noch gut finden.
berlinale Back to the roots: Die israelische Filmkomödie aus dem Jahr 1978 hieß im Original Eskimo Limon – in Anlehnung an den gleichnamigen und heute noch virulenten Eislutscher. Insgesamt gab es sieben weitere Folgen des hebräischen Exportschlagers mit Untertiteln wie »Feste Freundin«, »Liebeleien« oder »Hasenjagd« sowie einige Neuverfilmungen.
Der Klassiker war eigentlich eine »Coming of Age«-Geschichte um Liebe, Sex und Freundschaft mit traurigem Ende, der auf der Berlinale lief und sogar für den Golden Globe in der Kategorie »Bester ausländischer Film« nominiert war. Und noch heute zehrt Zachi Noy – der in Herzliya wohnt, seit 35 mit derselben Frau verheiratet ist und mit ihr zwei Kinder hat – von dem einstigen Ruhm. Er spielt Theater, wirkt regelmäßig in Musicals mit und erscheint als Star-Gast auf Eis am Stiel-Partys. Nach seinem Ausscheiden berichtete die »BILD«-Zeitung, dass seine Gage bei Promi Big Brother angeblich mehr als 80.000 Euro betrug. Doch darüber hüllt sich Zachi Noy in Schweigen.
Zu hoch jedenfalls wäre die Gage nicht. Angesichts des Sendungskonzepts kann man durchaus auch von Schmerzensgeld sprechen. Die Idee von Promi Big Brother: Jede Menge Z-Promis und Busenwunder, aufgewertet durch ein oder zwei tatsächlich bekannte Menschen, werden in einen oder mehrere Container, Keller oder in einem Wildlife-Areal weggesperrt. Dort müssen sie es unter ärmlichen Bedingungen miteinander aushalten und alberne Aufgaben erfüllen. Das Publikum entscheidet täglich, wen es am wenigsten mag, und dieser Mensch wird aus der Versuchsanordnung entfernt, so lange, bis der Sieger übrig bleibt. In diesem Fall ließ sich die Produktionsfirma Endemol-Shine die Variante des »Alles« und des »Nichts« einfallen, einen kargen und einen etwas luxuriöseren Bereich also, zwischen denen man nach gelösten oder verpatzten Aufgaben hin und her wechselte.
Burn-Out Zwölf Menschen bevölkerten diese Räume, darunter Sarah Kern, die ein Home-Shopping-Label betreibt und ein Burn-out erlitten haben will, den besagten Unternehmer Jens Hilbert, dessen Motto lautet: »Ich mach die Leut unnerum hinnerum vornerum blitzblank!«, die »Nackt-Künstlerin« Milo Moiré, deren Malweise hier jetzt nicht erörtert wird, die ehemalige Bachelor-Kandidatin Evelyn Burdecki, die »ganz viel gerne« redet, und Steffen van der Beeck, den man kennt, weil er mal mit Jenny Elvers zusammen war, die man kennt, weil sie mal mit Heiner Lauterbach zusammen war.
Die Aufzählung dieser Nichtigkeiten ist medial kalkuliert. Täglich berichteten (fast) alle Medien über das Geschehen, als wären sie gleichbedeutend mit Nachrichten aus Syrien: »Evelyn wäscht Zachi die Haare«, »Im Nichts wird hemmungslos gefeiert«, »Promis verraten ihre tiefsten Sehnsüchte«, »Willi und Zachi hassen ihren Transenlook«, »Willi Herren hat Angst vor Leben nach dem Container und bricht zusammen« – und eines vergisst man auch als Zuschauer gern: Es sind Menschen, die hier vorgeführt werden, egal wie sie sich gerieren.
Aber Menschen tun so etwas nun einmal, wenn sie Geld brauchen oder sich in verblassendem Ruhm wähnen. Zachi Noy gab als Grund für seine Teilnahme an, er hoffe, dass deutsche Produzenten so auf ihn aufmerksam würden. Er könne sich vorstellen, zum Beispiel in Serien wie Lindenstraße oder Traumschiff aufzutreten. Dabei ist Zachi Noy in Israel ein großer Film-, Musical- und Fernsehstar, als Komiker steht er seit 50 Jahren auf der Bühne, er ist mit Eis am Stiel sogar weltberühmt geworden. Und dann passierte, was die BILD-Zeitung das »Pinkelgate« nannte: Zachi Noy urinierte in die Dusche. Dass sich Noy später entschuldigte, er habe unter einem medizinischen Problem gelitten und ein Mittel zu verstärktem Wasserlassen verschrieben bekommen, interessierte niemanden mehr.
freude Zachi wurde als Zweiter aus dem »Haus« gewählt. Das mag den einen oder anderen mit Freude, vielleicht auch klammheimlicher antisemitischer Freude erfüllt haben. Ich habe mich für Zachi gefreut. Er hatte es hinter sich. Laut dem Magazin »Bunte« beschwerte er sich noch, man habe ihn bereits 2010 betrogen, als er bei der Show Das Supertalent teilgenommen hatte, aber bitte.
Es gibt Themen, über die sollte man eigentlich nicht schreiben. Doch letztlich hat die große PR-Maschine rund um Promi Big Brother gewonnen. Weil doch wieder alle darüber geschrieben haben, auch wegen Zachi, dem einzigen wirklichen Star dieser Riege. Ob er trotz seiner frühen Abwahl auch gewonnen hat, wird sich zeigen. Vielleicht sehen wir ihn ja demnächst in der Lindenstraße.
Was bleibt, ist ein diffuses Gefühl, das irgendwo zwischen Respekt und Anerkennung anzusiedeln ist – und ein Eindruck: Zachi Noy ist ein netter, umgänglicher Kerl und ein Mann, dem nicht einmal das »Nichts« etwas auszumachen schien. Die meiste Zeit schlief er. Noy wirkte dabei wie einer, der mit sich im Reinen ist und wirklich in sich selbst ruht. Und vor allem: Er wirkte würdig.