Nach einem Antisemitismus-Skandal im vergangenen Jahr wird der Hannah-Arendt-Preises für politisches Denken in diesem Jahr nicht verliehen. Der Träger des Preises, der Hannah-Arendt-Verein wolle sich zunächst neu strukturieren, sagte Vorsitzende Waltraud Meints-Stender der Berliner »Tageszeitung« (Dienstag). Der Preis war im vergangenen Jahr trotz Antisemitismus-Vowürfen an die russische Journalistin Masha Gessen verliehen worden. In der Folge war der vierköpfige Altersvorstand des Vereins zurückgetreten.
Mit dem Hannah-Arendt-Preis werden Menschen geehrt, die in der Tradition der jüdischen deutsch-US-amerikanischen Politologin zu öffentlichem politischem Denken und Handeln beitragen. Über die Vergabe entscheidet nach Angaben des Trägervereins eine unabhängige Jury. Das Preisgeld von 10.000 Euro wird von der Böll-Stiftung und der Stadt Bremen gestiftet.
Vor der Verleihung im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass Preisträgerin Gessen den Gazastreifen mit jüdischen Zwangsghettos in von Nazis kontrollierten Städten Osteuropas gleichgesetzt hatte. Ihr wurde vorgeworfen, die Gegenwehr Israels nach dem Hamas-Terror vom 7. Oktober zu skandalisieren. Der Senat und die Heinrich-Böll-Stiftung hatten daraufhin die feierliche Verleihung abgesagt. Der Verein hatte Gessen den Preis trotzdem überreicht.
Nicht die erste Kritik
Für die Zukunft will Meints-Stender nach eigenen Worten die Kommunikation zwischen Verein, Jury und Öffentlichkeit verbessern. Auch sei die neu berufene Jury breiter aufgestellt und es gelte eine höhere Sensibilität, gerade für Antisemitismus.
Der »Tageszeitung« zufolge gab es schon in früheren Jahren Antisemitismus-Vorwürfe gegen Preisträger. So etwa gegen Gianni Vattimo (2002) oder Tony Judt (2007). Der stellvertretende Vorsitzende der Bremer Jüdischen Gemeinde, Grigori Pantijelew, sieht die Zukunftspläne des Arendt-Vereins laut der Zeitung daher skeptisch. Er befürchte, die Preisverleiher würden trotz einiger neuer Gesichter weitermachen wie bisher.