Schauspiel

Münchnerin mit vielen Identitäten

Foto: Illustration: Inga Kulik, © Jüdisches MuseumMünchen

Viktoria Lewowsky (34), Kulturpädagogin, Autorin und Schauspielerin, hat übers Theatermachen ihre Faszination für »wahre Lebensgeschichten« entdeckt. »Das klingt nach etwas Simplem«, sagt sie, »aber mit diesen Geschichten, gut recherchiert, gut präsentiert, kannst du das Publikum für Menschen aus ganz anderen ›Blasen‹ interessieren«. Weil in der Corona-Zeit Theater nicht sehr angesagt war, verlegte sich Lewowsky aufs rein Akustische und holte ihre Freundin Tatjana Schoeler (34) mit ins Boot.

Dann begann die gemeinsame Recherche zur 1898 in München geborenen Schauspielerin Therese Giehse. Nach einem Jahr stand am Ende in Kooperation mit dem Jüdischen Museum München ein wöchentlicher Podcast, eine neunteilige »Dokuserie von LiveStories«. Der Podcast trägt den Titel »Therese Giehse und Wir«. Er dauert je nach Folge zwischen 30 und 50 Minuten und schlägt von der »jüdischen, lesbischen, queeren, emanzipierten« Giehse ausgehend und mithilfe von O-Tönen von Interviewpartnern und Experten ausladende Bögen bis in die Gegenwart.

identitäten »Therese Giehse fasziniert durch ihre vielen Identitäten, und da kann man wunderbar an Punkten andocken, wie zum Beispiel auch, was die jüdisch-queere Lebenssituation anbelangt, und deshalb lassen wir auch Leute, Aktivistinnen aus der jüdischen Community, die dazu etwas zu sagen haben, zu Wort kommen«, erklärt Tatjana Schoeler. Es gehe nicht darum, der Person von damals den heutigen Diskurs überzustülpen, ergänzt Lewowsky, vielmehr sei diese »durch Heutiges neu zu entdecken«.

Und so hört man im Podcast als Aktivistinnen aus der jüdischen Community Hanna Veiler und Helene Braun sowie Nicoleta Mena als Vertreterin von Keshet, dem Verein, der – so die Website – »die Rechte von und den Umgang mit jüdischen LGBTIQ+ in Deutschland« fördern will.

Eine Folge des Podcasts befasst sich auch mit der Frage, »wie jüdisch« Therese Giehse eigentlich war: »Sie hat sich selbst als Jüdin verstanden, ihre Familie hat zwar nicht super streng religiös gelebt, aber man hat sich schon grob an Traditionen gehalten«, sagt Lewowsky. Mit 16 sei Therese Giehse dann zwar aus der Gemeinde ausgetreten, erklärt sie weiter, »weil sie es mit der Religion nicht so gehabt hatte«, aber nach dem Krieg soll sie gesagt haben, dass, wenn sie gewusst hätte, »was da noch kommen würde, dann wär’ ich sicher nicht ausgetreten«.

Geboren wird Therese Giehse als fünftes Kind der jüdischen Kaufmannsfamilie Gift. Sie will schon früh zur Bühne, was Geschwister wie Eltern ziemlich belustigt, die junge Frau – »ich will nicht schön sein, ich will nur zum Theater« – aber keineswegs von ihren Plänen abhält. Sie nimmt Schauspielunterricht, macht »Therese Giehse« zu ihrem Künstlernamen, erhält schließlich 1926 ein festes Engagement an den Münchner Kammerspielen und wird eine Erfolgsschauspielerin, die auch Thomas Mann gerne einmal persönlich kennenlernen wollte.

pfeffermühle So kommt es, dass Therese Giehse auf Thomas Manns Tochter Erika trifft. Die beiden verlieben sich ineinander und gründen zusammen mit Klaus Mann am 1. Januar 1933, wenige Wochen vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten, das literarische Kabarett »Die Pfeffermühle«. »Ihre Bekanntheit bot ihr trotz ihrer jüdischen Herkunft unter den Nazis Schutz. Hitler und die Seinen feiern sie auf der Bühne«, heißt es im Podcast.

Trotzdem geht Therese Giehse. Sie verbringt 13 Jahre im Exil, macht politisches Kabarett, wird Brechts »Mutter Courage« und Dürrenmatts Nervenärztin »Dr. Mathilde von Zahnd« in dessen Die Physiker. Nach dem Krieg kehrt sie nach München zurück.

Die neun Podcast-Folgen orientieren sich in großer Ruhe an den Lebensstationen von Therese Giehse. Die beiden Autorinnen führen, so wirkt es, ein Gespräch über die Theaterfrau, legen dabei ihre Recherchemethoden offen. »Therese Giehse ist ein Vorbild für uns«, stellen sie fest, »mit ihrem Mut und ihrer klugen Dosierung der Worte: Sie hat ihren Mund nur dann aufgemacht, wenn sie wirklich etwas zu sagen hatte.«

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