Sehen!

»Mr. Gaga«

Regisseur Tomer Heymann war 21, als er vor 25 Jahren das erste Mal eine Choreografie von Ohad Naharin sah. Eigentlich wollte Tomer Heymann gar kein Tanztheater sehen. Er glaubte, das sei nur etwas für »alte Menschen« über 60 – oder für schwule Männer. Dabei ist der Regisseur selbst homosexuell und traute sich damals nur noch nicht, sich zu outen.

Aber Ohad Naharins so körperbetonte, andere Bewegungssprache, die er selbst »Gaga« nannte, veränderte auch das Leben des Filmemachers. Und so hat Tomer Heymann dem Publikum einen ausgesprochen sehenswerten Dokumentarfilm beschert, der Leben und Werk, den Mann und Künstler Ohad Naharin feiert.

batsheva dance company Schon in der ersten Szene des Films, wenn eine Tänzerin sich fallen lassen soll, aber den Körper dabei zu sehr schützt und so blockiert, ist man gefangen und mittendrin. Ohad Naharin, langjähriger Leiter der israelischen Batsheva Dance Company, ist ein anspruchsvoller Künstler: charismatisch, ungeduldig, faszinierend, humorvoll, gnadenlos und diktatorisch. Einige seiner Tänzer erzählen davon, wie Kollegen weinend oder wütend aus Proben kamen, aber immer wieder zurückkehrten.

Man muss kein Kenner des Modernen Tanzes sein, um Mr. Gaga regelrecht aufzusaugen. Die Ausschnitte aus seinen Tanzaufführungen sind ebenso faszinierend wie die Archivaufnahmen. Interessant ist auch die Geschichte um Naharins Choreografie zum Pessach-Lied »Echad Mi Jodea«, die aus Anlass der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehens Israels 1998 für heftige Debatten sorgte.

kulturpolitik Im Film äußert sich Naharin nachdenklich und kritisch über die aktuelle Kulturpolitik und seine Ängste um die künstlerische Freiheit in seinem Land, das er so sehr liebt. Mr. Gaga ist einer der informativsten und sehenswertesten neueren Dokumentarfilme – ein Film, der auf die große Leinwand gehört, für Laien und Liebhaber des renommierten Choreografen einfach ein Fest.

Ohad Naharin ist übrigens auch ein guter Geschichtenerzähler. Vor allem, wenn er die Anekdote zum Besten gibt, warum er mit dem Tanzen begann. Er tat es für seinen kleinen Bruder, um ihn aufzumuntern. Aber dann erzählt Ohad die Geschichte noch einmal – und diesmal hört sie sich schon ganz anders an.

»Mr. Gaga«. Israel 2015, Regie: Tomer Heymann. Seit 12. Mai im Kino

Glosse

Der Rest der Welt

Hochzeitsnächte und der Vorhang des Vergessens

von Margalit Edelstein  22.04.2025

Graphic Novel

Therese Giehse in fünf Akten

Barbara Yelins Comic-Biografie der Schauspielerin und Kabarettistin

von Michael Schleicher  22.04.2025

TV-Tipp

Arte-Doku über Emilie Schindler - Nicht nur »die Frau von«

Emilie und Oskar Schindler setzten sich für ihre jüdischen Arbeiter ein. Am 23. April läuft auf Arte eine Doku, die Emilie in den Mittelpunkt rückt

von Leticia Witte  22.04.2025

Kino

Film zu SS-Plantage »Kräutergarten« kommt ins Kino

Der Ort ist fast vergessen: Häftlinge im KZ Dachau erlitten dort Furchtbares. Nun erinnert der Dokumentarfilm »Ein stummer Hund will ich nicht sein« daran

 22.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  22.04.2025

Jazz

»Still Blooming«: Neues Album von Jeff Goldblum

Auf seinem neuen Album mischt der Schauspieler Jazzklassiker mit Starpower: Ariana Grande und Scarlett Johansson sind dabei

von Sabina Crisan  22.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  21.04.2025

Sehen!

»Die Passagierin«

Am Deutschen Nationaltheater in Weimar ist eine der intelligentesten Nachinszenierungen von Mieczyslaw Weinbergs Oper zu sehen

von Joachim Lange  21.04.2025

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025