Genau 19 Jahre ist es her, dass Lady Di ums Leben kam. Jetzt lässt der amerikanische Autor Daniel Silva in seinem gerade auf Deutsch erschienenen Thriller Der englische Spion eine der einstigen britischen Kronprinzessin nachempfundene Figur wieder sterben: diesmal nicht in einem Pariser Autotunnel, sondern auf einer explodierenden Yacht in der Karibik.
Die Bombe, mit der das Boot und die Prinzessin in die Luft gejagt wurden, hat ein ehemaliger führender IRA-Kader gelegt, der inzwischen als hoch bezahlter freischaffender Terrorist für diverse Schurkenstaaten arbeitet. Eamon Quinn heißt der Mann. Ihm auf die Fersen macht sich Gabriel Allon, Topagent des Mossad und designierter neuer Direktor des israelischen Geheimdienstes. Allon, der Held von mittlerweile 15 Romanen Silvas, hat mit Quinn noch eine Rechnung offen: Ein von dem Iren im Dienst arabischer Terroristen gebauter Sprengsatz hat vor Jahren Allons kleinen Sohn getötet.
MI6 Unterstützt von dem ehemaligen britischen Elitesoldaten Christopher Keller, jetzt Agent des britischen MI6, verfolgt Allon Quinn quer durch die Welt. Denn er will nicht nur den Killer schnappen, sondern, wichtiger noch, herausbekommen, wer den Auftrag zur Ermordung der Prinzessin erteilt hat und warum. Die Spur führt über Nordirland, Venezuela und den Iran schließlich nach Russland, direkt in den Kreml zu Wladimir Putin.
Ihren Weg schießen, hauen und stechen sich Allon und Keller gegen jede Menge IRA-Killer, iranische VEVAK-Agenten und russische FSB-Spione frei. Obwohl nur zu zweit, überwinden sie die feindliche Übermacht immer wieder. Schließlich ist Gabriel Allon eine Mossadlegende: Nicht nur war er an allen großen Operation des israelischen Dienstes führend beteiligt und hat unter anderem im Alleingang vier iranische Atomanlagen ausgeschaltet. Er ist auch ein weltweit berühmter Kunstrestaurator, der, wenn er nicht gerade Feinde Israels erledigt, fast unrettbar zerstörte Werke Raffaels und Caravaggios so wieder instand setzt, dass sie so gut wie neu aussehen.
Sehr glaubwürdig ist das alles nicht. Daniel Silva ist kein John le Carré oder Robert Littell. Die realistische Beschreibung der Arbeit von Geheimagenten ist seine Sache nicht. Vielleicht, weil er sie nicht kennt. Authentizität versucht er stattdessen durch enzyklopädisch genaue Orts- und Personenbeschreibungen zu simulieren, die in die erschöpfendsten Einzelheiten gehen – erschöpfend vor allem für die Leser. Was den Figuren an Charakterisierung fehlt, wird durch simpelste Adjektive ersetzt: Die Stimme von Allons Frau ist »sanft«, seine Arme, in die er sie schließt, sind »stark«.
Israel-USA-Russland So holzschnittartig wie die Protagonisten sind auch die politischen Hintergründe dargestellt. Daniel Silvas Welt ist einfach: Die Guten (Israel und der Westen), die Bösen (Araber, Russland und Iran) sowie die Dummen (die USA unter Obama). In den Grundzügen mag das sogar stimmen. Doch wird es nicht analytisch hergeleitet, sondern, wie im Kasperletheater, postuliert.
Vor allem aber: Das Buch ist langweilig. Ständige Orts-, Zeit- und Perspektivwechsel können den fehlenden Spannungsbogen nicht ersetzen. Die Drehs im Plot sind weit hergeholt und arg konstruiert.
Und weil Der englische Spion mehr Märchen ist als Thriller, ist auch der Ausgang vorhersehbar: Am Ende der 416 Seiten siegt natürlich das Gute. Die Schurken sind tot, Allon kehrt heim nach Tel Aviv – rechtzeitig, um seine Frau in den Kreißsaal zu begleiten, wo sie Zwillinge zur Welt bringen wird. Für Israel kann man nur hoffen, dass der wirkliche Mossad besser spioniert als Daniel Silva schreibt.
Daniel Silva: »Der englische Spion«, Übersetzt von Wulf Bergner. HarperCollins, Hamburg 2016, 416 S., 15 €