Rabbiner Gabriel Klein aus Zürich, der Held der Kriminalromane des in Basel und Jerusalem lebenden Judaisten Alfred Bodenheimer, ist Kummer gewohnt.
Was musste er im Laufe der bisherigen fünf Bücher nicht schon alles erleben: den Mord an einer betuchten jüdischen Dame am noblen Zürichberg ebenso wie das Verbrechen am Moderator einer TV-Show, um nur zwei Beispiele herauszugreifen. Und immer hätte Klein, erfundener Rabbiner der real existierenden Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ), eigentlich andere, wichtigere Aufgaben zu erledigen als herauszufinden, wer es denn nun diesmal war.
mordfall Im sechsten Roman Der böse Trieb ist das nicht anders: Das Berufsleben in Form einer drohenden Kündigung nimmt den Rabbiner diesmal so in Beschlag, dass er nicht ungestört im aktuellen Mordfall ermitteln kann. Rabbiner Klein versucht nämlich, auf eigene Faust halachische Probleme zu lösen: Man steht vor den Herbstfeiertagen.
Und weil die Ladung der Etrogim für Sukkot verdorben in Zürich ankommt, ist guter Rat gefragt. So versucht Klein, in einem israelischen Kibbuz Ersatz zu finden. Mit diesem Vorhaben verärgert er den Schweizer Koscher-Import-Monopolisten so sehr, dass dieser Rabbiner Klein sogar vor ein rabbinisches Gericht zerren will.
Weil eine der beiden Töchter in Israel gewisse Anlaufschwierigkeiten hat, findet Rebbetzin Klein, ihr Gatte solle sich gefälligst einmal in seine eigenen Angelegenheiten einmischen
Aber Klein wäre nicht Klein, wenn er seine Ermittlungen im spektakulären Mordfall Viktor Ehrenreich einfach einstellen würde. Denn der Zahnarzt, der in Inzlingen, einem Dorf hinter der deutschen Grenze (»Mehr Pampa ging wirklich nicht«, heißt es im Buch), seine Praxis betrieb, wurde erschossen. Ehrenreich hatte sich mit dem örtlichen Chabad-Rabbiner nicht verstanden und suchte Klein jedes Jahr im Monat Elul für ein »Sichat Nefesch«, ein »Seelengespräch«, auf.
lesevergnügen Dass die Lörracher Polizei Klein ebenso im Nacken sitzt wie zu Hause in Zürich Kleins Gattin Rivka, macht einen guten Teil des Lesevergnügens aus. Denn weil eine der beiden Töchter in Israel gewisse Anlaufschwierigkeiten hat, findet Rebbetzin Klein, ihr Gatte solle sich gefälligst einmal in seine eigenen Angelegenheiten einmischen, statt im nahen Ausland Kommissar zu spielen. Das tut Klein selbstverständlich und löst auch diesen Fall. Daneben bleibt aber eine gewisse Unsicherheit, wer den Zahnarzt denn nun tatsächlich umgebracht hat.
Auch in Der böse Trieb erweist sich Alfred Bodenheimer als guter und ironischer Kenner der deutschsprachigen jüdischen Szene. Etwa, wenn Rivka ihrem Mann auf dem Höhepunkt der Krise aufzeigt, was denn seine beruflichen Alternativen sind: »Willst du zu einer anderen Gemeinde wechseln, womöglich irgendwo in Deutschland, wo alles dann im schlimmeren Fall noch viel intransparenter oder intriganter ist als hier?«
Selbstverständlich will Rabbiner Gabriel Klein das auf keinen Fall – und weil Bodenheimer dieses Buch in einem neuen Verlag herausgebracht hat und es sicherlich einen siebten Fall geben wird, muss er das auch nicht.
Alfred Bodenheimer: »Der böse Trieb«. Kampa, Zürich 2021, 256 S., 19,90 €