Nachruf

Moralist des Kinos

US-Regisseurs Sidney Lumet Foto: FLC

Begonnen hat er als Schauspieler – mit vier Jahren. Sidney Lumet, 1924 in Philadelphia geboren, war ein Kinderstar des amerikanischen jiddischen Theaters. Auch am Broadway trat der begabte Junge auf, unter anderem in Kurt Weills Bibelspiel »Der Weg der Verheißung«. Jüdische Werte wie Gerechtigkeit, die er damals lernte, hätten ihn sein Leben lang geprägt, sagte Lumet später.

Das Regisseurshandwerk lernte Sidney Lumet nach der Rückkehr aus dem Zweiten Weltkrieg beim damals neuen Medium Fernsehen. So gut waren seine Inszenierungen dort, dass Hollywood ihn holte. Gleich mit seinem ersten Spielfilm »Die zwölf Geschworenen« (1957) machte der 33-Jährige Furore: Mit Henry Fonda in der Hauptrolle als einsamer, aber unbeirrbarer Streiter für Fairness, war der oscarnominierte Film im hysterischen Amerika der McCarthy-Ära ein Appell an die Vernunft.

In dem halben Jahrhundert danach drehte der besessene Arbeiter Lumet im Schnitt einen Film pro Jahr. Seine Spezialität waren sozialrealistische Thriller wie »Serpico« (1973), »Hundstage« (1975) und »Prince of the City« (1981). Aber auch aufs Leichte verstand er sich mit Erfolgsproduktionen wie »Mord im Orient-Express«. Fast alle großen Schauspieler seiner Zeit arbeiteten unter Sidney Lumets Regie – Marlon Brando, Richard Burton, Katherine Hepburn, Al Pacino, Sean Connery, Jane Fonda. Einen »Traumregisseur« nannte ihn Ali MacGraw.

Immer wieder befasste sich Sidney Lumet auch mit jüdischen Themen. In »Der Pfandleiher« (1964) spielte Rod Steiger einen Schoa-Überlebenden. »Bye bye Braverman« vier Jahre später war im Milieu der New Yorker jüdischen Intellektuellen angesiedelt. In »Daniel« (1983) ging es um den Spionageprozess gegen das Ehepaar Rosenberg 1951. Und in »Sanfte Augen lügen nicht« aus dem Jahr 1992 recherchiert Melanie Griffith als Undercover-Polizistin im chassidischen Milieu der New Yorker Lower East Side.

Seinen letzten Film, den Thriller »Tödliche Entscheidung«, drehte Sidney Lumet 2007 mit 82 Jahren. Jetzt ist der Regisseur am 9. April in New York an Lymphdrüsenkrebs gestorben. 1997 gefragt, wie er sich seine Beerdigung vorstelle, hatte er gesagt: »Ich bin nicht religiös. Verstreut meine Asche über Katz’ Delicatessen.«

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«- Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  25.04.2025

100 Jahre "Der Prozess"

Was Kafkas »Der Prozess« mit KI und Behörden-Wirrwarr gemeinsam hat

Seine Liebesworte gehen auf TikTok viral. Unheimlich-groteske Szenen beschrieb er wie kein Zweiter. In Zeiten von KI und überbordender Bürokratie wirkt Franz Kafkas Werk aktueller denn je - eben kafkaesk

von Paula Konersmann  25.04.2025

Reykjavik

Island fordert Ausschluss Israels vom ESC

Das Land schließt sich damit der Forderung Sloweniens und Spaniens an. Ein tatsächlicher Ausschluss Israels gilt jedoch als unwahrscheinlich

 25.04.2025

Popkultur

Israelfeindliche Band Kneecap von zwei Festivals ausgeladen

Bei Auftritten verbreiten die irischen Rapper Parolen wie »Fuck Israel«. Nun zogen die Festivals Hurricane und Southside Konsequenzen

von Imanuel Marcus  25.04.2025

Berlin/Brandenburg

Filmreihe zu Antisemitismus beim Jüdischen Filmfestival

Das Festival läuft vom 6. bis 11. Mai

 25.04.2025

Fernsehen

Ungeschminkte Innenansichten in den NS-Alltag

Lange lag der Fokus der NS-Aufarbeitung auf den Intensivtätern in Staat und Militär. Doch auch viele einfache Menschen folgten der Nazi-Ideologie teils begeistert, wie eine vierteilige ARD-Dokureihe eindrucksvoll zeigt

von Manfred Riepe  24.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  24.04.2025