Tribüne

Mit ruhigem Ton

Die »Zeitschrift zum Verständnis des Judentums« wird 50

von Katrin Diehl  06.12.2011 17:12 Uhr

Vielstimmig: Ausgabe Nr. 199 der Tribüne Foto: Tribüne

Die »Zeitschrift zum Verständnis des Judentums« wird 50

von Katrin Diehl  06.12.2011 17:12 Uhr

Weiße Schrift auf sattem Grün. Eine dicke »50« schmückt das 200. Heft der Vierteljahresschrift Tribüne. 50 Jahre ist sie alt, »ein geradezu biblisches Alter für eine Zeitschrift«, sagt Otto R. Romberg, 79 Jahre alt, leitender Redakteur und Gründer des Magazins. Seine Frau Elisabeth Reisch gibt die Tribüne heraus, die Wohnung der beiden im Frankfurter Osten beherbergt auch die Redaktion. 1996 hatte der Zentralrat der Juden die beiden für ihre Arbeit mit dem Leo-Baeck-Preis ausgezeichnet.

»Zeitschrift zum Verständnis des Juden-tums«, so erklärt sich jede Nummer im Untertitel. »Zum Verständnis des Judenprob-lems« hatte es im ersten Jahrgang 1961 noch geheißen, Worte, denen man den muffigen Geist der Epoche noch anmerkt. Als in der Bundesrepublik Ende der 50er-Jahre wieder antisemitische Schmierereien auf Synagogenmauern auftauchten, war das ein »Schock« für den gebürtigen Ungarn Otto Romberg, dessen Vater und Onkel die Nazis ermordet haben. Romberg wollte auf dem Absatz kehrt machen. Aber »Freunde und Kollegen haben mich zurückgehalten.«

Politiker Im Laufe der Jahre kamen Gastautoren wie Theodor W. Adorno, Max Brod, Ignatz Bubis, Ralph Giordano, Günter Grass oder Salomon Korn zu Wort, auch wenn die »wiedergegebenen Gedanken keineswegs immer mit der Ansicht der Redaktion übereinstimmen«, wie es im Impressum heißt. Namhafte Politiker wurden zum Gespräch geladen: Willy Brandt, Helmut Kohl, Gerhard Schröder, Joschka Fischer, immer wieder Johannes Rau, auch Schimon Peres.

Das stete Anschreiben gegen Vorurteile und Antisemitismus, denen sie Erinnerung, Forschung, Debatte und »kritische Solidarität« mit Israel gegenüberstellt, strukturiert die Zeitschrift, gibt ihr feste Rubriken und Kolumnen. Liest man den »Blick nach Rechts«, erfährt man von »Kleinigkeiten«, die wie scharfe Splitter im Gedächtnis hängen bleiben.

Auflage Auch das Jubiläumsheft verschont den Leser da nicht. Bei alldem fehlt der Tribüne jede Aggressivität. Sie klagt nicht an, sie stellt fest. Salomon Korn nannte die Zeitschrift in seinem Jubiläumsvortrag, der in der aktuellen Nummer nachzulesen ist, einen »Leuchtturm«. Momentan hat die Tribüne eine Auflage von etwa 7.000 Exemplaren und finanziert sich ausschließlich durch Leser und Anzeigen.

Das 200. Heft wirft einen Blick zurück, widmet sich aber auch ganz akademisch den Kernthemen der Zeitschrift, etwa der Beziehung Deutschlands zu Polen und Israel. In Interviews mit namhaften Politikern wie Angela Merkel, Hans-Peter Friedrich, Wolfgang Thierse oder Claudia Roth zeigt Otto Romberg Hartnäckigkeit beim Fragen. Dennoch bleibt die Prominenz weitgehend ihren parteipolitischen Floskeln treu, wenn sie sich auch um viel Freundlichkeit bemüht.

Hätte das Jubiläumsheft anders ausgesehen, wenn das ganze Ausmaß des neonazistischen Terrors der »Zwickauer Gruppe« bekannt gewesen wäre? »Bestimmt«, sagt Otto Romberg. »Gewarnt haben wir schon lange. Jetzt haben sich unsere Befürchtungen leider bestätigt.« An die Macht der Aufklärung glaubt er weiterhin.

»Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums«, Hg. von Elisabeth Reisch, Frankfurt/Main. Jahresabonnement (4 Hefte) 30 €

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