Buchtipp

Mit Halacha auf Verbrecherjagd

In Alfred Bodenheimers zweitem Krimi ermittelt der Zürcher Rabbiner Gabriel Klein

von Peter Bollag  22.06.2015 17:11 Uhr

Rabbiner Klein ermittelt wieder – hartnäckig, gewieft und unorthodox. Foto: Nagel & Kimche

In Alfred Bodenheimers zweitem Krimi ermittelt der Zürcher Rabbiner Gabriel Klein

von Peter Bollag  22.06.2015 17:11 Uhr

Er hat es wieder getan und ist damit wie sein Romanheld, der Zürcher Rabbiner Gabriel Klein, ein »Wiederholungstäter«: Alfred Bodenheimer, eigentlich ein seriöser Professor für Literatur- und Religionswissenschaften an der Universität Basel, legt seinen zweiten Krimi mit dem Titel Das Ende vom Lied vor.

Wie im Erstling Kains Opfer ermittelt (der erfundene) Rabbiner Gabriel Klein, im Hauptberuf geistiges Oberhaupt der (real existierenden) Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ), in seinem näheren Umfeld in einem Mordfall, der dem ebenso gewieften wie unorthodoxen Ermittler alles abverlangt.

spektakulär In Das Ende vom Lied ist das Umfeld dabei jedoch so nahe wie nur möglich: Seine eigene Ehefrau Rivka steht nämlich unter Mordverdacht und wird nach ihrer Rückkehr aus London spektakulär am Flughafen von der Zürcher Polizei festgenommen und verhört. Rivka Klein war offenkundig eifersüchtig auf eine Frau namens Carmen Singer im Umfeld des Rabbiners – und ließ das andere auch wissen. Zumindest diejenigen, die in einem Zürcher Café an einem bestimmten Nachmittag entsprechende Sätze mitbekommen hatten.

Wichtig wird das alles nämlich, weil Carmen Singer kurz danach im gleich daneben liegenden Bahnhof vor einen Zug gestoßen wird und stirbt. Singer, so stellt sich heraus, war aber nicht nur Opfer, sondern auch Täterin: Sie stellte Rabbiner Klein, in den sie verliebt war, nach, stalkte ihn und drängte sich so stark in sein Privatleben, dass der Rabbiner jeden Kontakt zu ihr abbrechen musste.

Natürlich hat Rabbiner Klein schon allein deshalb allen Grund, den wahren Täter oder die wahre Täterin zu finden. Und schießt mit seinem halachischen Scharfsinn und seiner kriminalistischen Neugier dabei – wie schon im ersten Buch – oft so stark übers Ziel hinaus, dass er von der wackeren Zürcher Kommissarin Bänziger zurückgepfiffen werden muss.

gemeindeleben Rabbiner Klein darf auch in seinem zweiten Fall den Frust darüber nicht zuletzt an seiner Umwelt, sprich: den Verantwortlichen seiner Gemeinde, auslassen. Vor allem der neue, junge und sehr motivierte Präsident der Synagogen-Kommission als hauptsächlicher Widersacher Kleins kann davon ein Lied singen. Ihn lässt Klein regelmäßig ins Leere laufen und zeigt ihm so, wer der eigentliche Chef im Ring ist.

In solchen Episoden erweist sich Bodenheimer als brillanter Beobachter der Zürcher Szene, die sich wohl auch auf andere Gemeinden übertragen lässt. Er zeigt mit einem durchaus liebevollen Blick, dass die porträtierte ICZ im eigenen Land zwar eine Großgemeinde ist, im Vergleich zu größeren Ländern aber eben auch nur eine Art mondänes »Schtetl«.

Ein »Schtetl«, in dem man sich genau kennt, samt der eigenen Schwächen und Unzulänglichkeiten, in dem die Gemeindemitglieder sich zudem ihrer Vergangenheit bewusst sind: »Vor so langer Zeit hatten Juden schon hier gelebt, dachte er, mitten in der Stadt, und doch waren sie immer Junkies der Gesellschaft gewesen, mittendrin und doch am Rand, die horrende Sondersteuern zahlten und zuweilen hastig die Koffer packten, um dem Mob oder den Behörden zu entkommen, die sie trotz alledem nicht mehr aushalten mochten.«

Mit solchen Sätzen, die dem Kriminalroman Tiefe geben, packt Alfred Bodenheimer seine Leser. Mehr vermutlich sogar als mit dem eigentlichen Kriminalfall, der gegen Ende einigermaßen konstruiert wirkt – und deshalb auch nicht völlig überzeugen kann.

Alfred Bodenheimer: »Das Ende vom Lied«. Nagel & Kimche, Zürich 2015, 208 S., 18,90 €

Glosse

Der Rest der Welt

Minimalistisch oder altersgerecht: in Worten fünfundvierzig

von Katrin Richter  23.02.2025

Aufgegabelt

Gulasch mit Paprika und Kartoffeln

Rezepte und Leckeres

von Ruth Raber  23.02.2025

Berlinale-Preisverleihung

Ohne Israelhass geht es nicht

Der gute Wille war da bei der neuen Festivalleitung, doch auch bei der Verleihung der Bären am Samstagabend kam es zu anti-israelischen Aussetzern

von Sophie Albers Ben Chamo  22.02.2025

Berlin

Berlinale gedenkt Opfers des Angriffs am Holocaust-Mahnmal

Am Vorabend wurde ein spanischer Tourist von einem syrischen Flüchtling, der Juden töten wollte, mit einem Messer angegriffen

 22.02.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Berlin

Wladimir Kaminer verkauft Wohnung über Facebook

Mit seiner Partyreihe »Russendisko« und vielen Büchern wurde Wladimir Kaminer bekannt. Für den Verkauf einer früheren Wohnung braucht er keinen Makler

 20.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025