Die israelisch-amerikanische Geigen-Legende Itzhak Perlman aus New York steht im Mittelpunkt des 2018 entstandenen Musiker-Porträts von Alison Chernick. Der 16-fache Grammy-Gewinner, Star-Violinist und Musikpädagoge ist äußerst beliebt beim Publikum. Dabei hatte er es nicht immer leicht.
Seit einer Kinderlähmung im Alter von vier Jahren muss er im Sitzen Geige spielen, was seine Lebensfreude aber offensichtlich wenig trübt. Die Filmemacherin reist mit ihm für die Dokumentation Itzhak Perlman. Ein Leben für die Musik an die wichtigsten Stationen seines Wirkens und fragt nach seiner Lebensphilosophie. Arte strahlt das knapp einstündige Porträt am 28. Juni um 22.55 Uhr aus.
LEGENDE »Perlman hat mit jedem wichtigen Orchester gespielt und in allen ehrwürdigen Sälen rund um den Globus«, erzählt Chernick. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er bekannt, als er die von John Williams komponierte und mit einem Oscar ausgezeichnete Filmmusik zu Schindlers Liste (1993) spielte, die als Hauptthema ein dem deutschen Unternehmer und Judenretter gewidmetes Violinsolo enthält. Perlman ist seit über 50 Jahren verheiratet, hat fünf Kinder und gründete vor einigen Jahren einen Sommerkurs für talentierte Nachwuchsmusiker.
Perlman hat wenig Berührungsängste mit dem Publikum, zeigt die Filmemacherin schon zum Einstieg. Die Kamera folgt dem elektrischen Rollstuhl des Violinvirtuosen auf den Rasen des Baseball-Stadions der New York Mets, während dieser begeistert die Nationalhymne spielt. Perlman habe ein unglaubliches Repertoire, erzählt sie weiter, er spiele von »Schubert bis Strauss, von Bach bis Billy Joel« fast alles. Doch dass er heute die elitäre musikalische Hochkultur ebenso bedienen könne wie den »American Way of Life«, komme nicht von ungefähr.
Perlman spielt von Schubert bis Strauss, von Bach bis Billy Joel fast alles.
Die Eltern des heute 72-Jährigen sind von Polen nach Israel emigriert. Er wurde 1945 in Tel Aviv geboren. 1958 zog er zum Musikstudium in die USA und wurde durch seine unkonventionellen Auftritte schnell bekannt. Andererseits musste er wegen seiner Behinderung immer gegen Vorurteile ankämpfen, konnte aber letztlich durch sein großes Talent überzeugen.
TEL AVIV In einer markanten Szene streift das Filmteam mit ihm durch die Straßen von Tel Aviv. Zu einer besonderen Begegnung kommt es im Laden des berühmten Geigenbauers Amnon Weinstein. Dessen Vater hatte Perlman eine Schülergeige geliehen, als er noch in Tel Aviv lebte.
Sein Sohn fragt ihn heute, was er ihm zeigen darf, eine deutsche, französische oder jüdische Geige? Er reicht ihm eine Geige aus Warschau, Perlman spielt ein wenig und meint, sie spiele auch jüdisch. Der Besitzer sei Amateur gewesen, der zuhause musizierte bis die Deutschen kamen, erzählt Weinstein. Dann habe er seinen besten Freund gebeten, sie seiner Familie in Jerusalem zu bringen.
Der Meistergeiger sieht sich gern im Mittelpunkt. Chernick folgt meist kommentarlos seinen kreativen Selbstinszenierungen.
Aber er habe auch eine Geige mit doppeltem Boden hier, erzählt Weinstein weiter, in dem - vermutlich bei einer Reparatur - ein nationalsozialistischer Geigenbauer heimlich Hakenkreuzkritzeleien angebracht hatte. »Zieh bloß keine Saiten auf«, meint Perlman, und Weinstein antwortet: »Nicht in tausend Jahren!«
BIOGRAFIE Der Ton der Dokumentation bleibt leicht und unterhaltsam, auch wenn es um ernste Themen geht. Der Filmemacherin geht es nicht um biografische Vollständigkeit, sondern trotz vieler Archivaufnahmen und Gespräche mit Musikern, Familienmitgliedern und Kollegen um den Geist und das Lebensgefühl, das Perlman ausstrahlt.
Der Meistergeiger sieht sich gern im Mittelpunkt; Chernick folgt meist kommentarlos seinen kreativen Selbstinszenierungen. Eine Geige, so lehrt Perlman seine Schülern, gebe nicht automatisch einen richtigen Ton von sich wie ein Klavier. Aber wenn es einem schließlich gelinge, erzeuge man den Ton aus sich selbst heraus. Je mehr man in seinem Herzen trage, umso besser klinge es.
Chernick legt eine kurzweilige Dokumentation über einen der bedeutendsten Violinisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor. Perlman wird dabei nicht müde zu betonen, dass Musik unerlässlich für die Menschen ist.
»Itzhak Perlman. Ein Leben für die Musik«, Regie: Alison Chernick. Arte, Sonntag, 28. Juni, 22.55–23.50 Uhr