Er hatte seine Wurzeln in der Romantik und hat sie überwunden. Er hat innige Volkslieder geschaffen und war gefürchtet wegen seiner beißenden Ironie. Er wurde als Jude geboren und ließ sich evangelisch taufen.
Religiös war er nicht. Er beeinflusste den jungen Marx, litt unter der Zensur, sympathisierte mit den revolutionären Bewegungen seiner Zeit, sträubte sich aber gegen jede Art von Gleichmacherei.
Heute vor 225 Jahren wurde Heinrich Heine (1797-1856) geboren. Er gilt weltweit neben Goethe als bedeutendster deutscher Dichter des 19. Jahrhunderts - und lebte ein Vierteljahrhundert in Frankreich.
Heine empfand sich als »Sohn der Französischen Revolution«, wie Christian Liedtke erklärt, Leiter des Archivs des Düsseldorfer Heinrich-Heine-Instituts. Der Dichter lernte in Paris den jungen Karl Marx kennen und sah es als historische Notwendigkeit, dass die Arbeiterklasse künftig Macht gewinnen werde. Jedoch: »Das materielle Wohlsein des Volkes war für ihn wichtiger als jede Ideologie. Denn er hatte eine tiefe Abneigung gegen politische Systeme, die den Leuten alles erklären und vorschreiben, was sie tun sollen«, stellt Liedtke fest: »Er war ein Künstler, kein Politiker.«
Durch Heinrich Heines Leben und Werk ziehen sich Widersprüche, Ambivalenzen, Zerrissenheiten. Am 13. Dezember 1797 wird er in Düsseldorf als Harry Heine geboren. Als junger Mann veröffentlicht er erste Gedichte, scheitert als Kaufmann, studiert dann Jura, mit Mühe und ohne Begeisterung, schließt endlich mit Promotion ab. Im selben Jahr, 1825, tritt er zum Christentum über und wird auf den Namen Christian Johann Heinrich getauft.
Schriftstellerischer Erfolg stellt sich ein: Die »Reisebilder« erscheinen in mehreren Teilen. Heine erreicht damit den Durchbruch beim Publikum. Er wird zum Schöpfer einer neuen literarischen Gattung, deren federleichte Prosa über Reiseliteratur im engeren Sinne weit hinausgeht. Kunstvoll verknüpfte Anspielungen, auch auf aktuelle gesellschaftliche Zustände, machen diese Bücher politisch brisant. Heine kämpft mit der allgewaltigen Zensur, die das geistige Leben zur Zeit des Vormärz in Deutschland und Österreich lähmt.
Sein »Buch der Lieder« (1827), das bis zu Heines Tod 13 Auflagen erreicht, trifft das Lebensgefühl einer Generation. Heines Gedichte haben oft den Volksliedton der romantischen Sammlung »Des Knaben Wunderhorn«, sie verleugnen nicht die Nähe zu Eichendorff oder Arnim.
Heines Abhängigkeit von der Romantik und ihren Vorbildern war groß, schrieb sein Biograf Ludwig Marcuse, aber »seine Unabhängigkeit größer.«
Denn bei den Romantikern findet sich nichts von den Spannungen der modernen Zeit, ungebrochen besingen sie die »prächtige Sommernacht« oder die schöne Welt, die man vor Blüten kaum sieht. Bei Heine kippt ein Text überraschend in Ironie um, die die Schwärmerei aufs Korn nimmt - so in dem Gedicht vom Fräulein, das am Meere stand und lang und bang seufzte: »Es rührte sie so sehre / Der Sonnenuntergang.« Die zweite Strophe erwidert der sentimentalen Dame: »Mein Fräulein, sei n Sie munter, / Das ist ein altes Stück; / Hier vorne geht sie unter / Und kehrt von unten zurück.«
1831 wandert der bewunderte, aber auch heftig angefeindete Dichter nach Frankreich aus und lässt sich in Paris nieder. Wenige Jahre später verbietet die Zensur seine Publikationen in Preußen.
Sein wohl bekanntestes Werk, das Versepos »Deutschland. Ein Wintermärchen« (1844) zeichnet äußerlich seine erste Deutschland-Reise nach zwölf Jahren in Frankreich nach. Es ist die schmerzliche Liebe zum Land seiner Muttersprache, die sich durch das ganze Gedicht zieht und im ersten Kapitel einzigartig beschrieben wird:
»Und als ich die deutsche Sprache vernahm, / Da ward mir seltsam zu Mute; / Ich meinte nicht anders, als ob das Herz / Recht angenehm verblute.«
Die Stationen der Reise nimmt er zum Anlass, deutsche Zustände mit bissigem Witz zu zeichnen - gegen das Kleinkarierte, Miefige, Engstirnige im Land von Behördenwillkür und Spießertum.
Unter dem Antisemitismus in Deutschland hat er gelitten. Trotz der Taufe, die er als »Eintrittsbillett« in die deutsche Gesellschaft verstanden hatte, blieb Heine dem Judentum zeitlebens verbunden. Jüdische Stoffe und Themen kommen immer wieder in seinem Werk vor.
Nach Überzeugung des Germanisten Christian Liedtke wollte er ein modernes Judentum. Heine habe Wert darauf gelegt, »dass Jesus Jude war und als sein Alter Ego gegen die Autoritäten seiner Zeit kämpfte.« Im »Wintermärchen« bezeichnet der Dichter den Gekreuzigten als »mein armer Vetter«. Liedtke: »Er sah in ihm einen gescheiterten Sozialrevolutionär.«
Von 1848 an bis zu seinem Tod am 17. Februar 1856 litt Heine an einer unheilbaren Krankheit und konnte das Bett - er spricht von seiner »Matratzengruft« - nicht mehr verlassen. Er wurde in Paris begraben.