Wer von Amos Hoffman spricht, muss zuvor Avishai Cohen erwähnen. Dessen CD Aurora war zweifelsohne eines der besten Jazzalben des vergangenen Jahres. Und wesentlichen Anteil daran hatte Hoffman, der mit seinem grandiosen Ud-Spiel den Kompositionen ein köstliches arabisches Klangaroma verlieh. Kein Wunder, dass die Erwartungen groß sind, wenn der 1970 in Tel Aviv geborene Israeli mit Carving ein eigenes Jazzalbum mit Folkeinflüssen auf den Markt bringt, sein viertes Solo nach The Dreamer (1999), Na’ama (2006) und Evolution (2008).
Klangsphäre Die elf Titel auf der CD hat Hoffman selbst komponiert. Begleitet wird er von vier Landsleuten: Querflöte spielt Ilan Salem, Percussion Ilan Katchka, Schlagzeug Amir Bresler und Bass Gilad Abro. Doch Hoffman selbst tritt erstaunlicherweise, statt als Ud-Spieler, bei der Hälfte der Songs als Gitarrist auf. Das macht biografisch vielleicht Sinn, weil der Musiker als Sechsjähriger zuerst Gitarre spielen lernte und erst später die arabische Kurzhalslaute. Musikalisch ist dieser Instrumentenwechsel aber problematisch. Der erwartete Brückenschlag zwischen Orient und Okzident kommt nicht zustande. Zwar kann man in manchen Songs arabische Koloraturen heraushören, etwa bei Brown Sugar, das auf einem schnellen treibenden Beat basiert, zu dem Hoffman auf der Ud großartig improvisiert. Doch gleich im nächsten Stück, einer »Blue Note« mit dem Titel A Minute To Smell A Flower, wird der Bruch hörbar. Hoffman spielt hier ganz traditionalistisch im Stil von klassischen Jazzgitarristen wie Jim Hall oder Wes Montgomery. So schön das auch klingen mag, man hat es doch schon tausendmal gehört. Die beiden Klangsphären West und Ost bekommt Amos Hoffman auf diesem Album nicht unter einen Hut. Vielleicht wollte er es auch gar nicht. So bleibt aufs Ganze gesehen ein zweigeteiltes Hörvergnügen.
Amos Hoffman: »Carving«, Rykodisc (Warner) 2010