Albert Einstein gilt als Jahrhundertgenie. Kaum einer, der nicht von seiner Relativitätstheorie gehört hat. Er revolutionierte die Physik – auch wenn das damals, 1915, als er seine Allgemeine Relativitätstheorie in Berlin präsentierte, noch nicht ganz klar war. Doch der Ausnahmewissenschaftler, der 1921 den Nobelpreis für Physik erhielt, war auch ein ganz privater Mensch – ein Vater und Freund. Das bezeugen einige der 110 neu erlangten Originaldokumente, welche die Hebräische Universität in Jerusalem als Geschenk erhalten und kurz vor Einsteins 140. Geburtstag am 14. März der Öffentlichkeit präsentiert hat. Darunter befinden sich nicht nur wissenschaftliche Dokumente, sondern auch Briefe Einsteins an seinen Sohn Hans Albert und an seinen Freund Michele Besso.
»Du kommst gewiss nicht in die Hölle, auch wenn du dich hast taufen lassen«, schrieb Albert Einstein im Jahr 1951, vier Jahre vor seinem Tod, an Michele Besso, der zum Christentum konvertiert war. »Du bist als Goi nicht verpflichtet, die Sprache der Völker zu kennen, aber ich als ›jüdischer Heiliger‹ muss mich schämen, dass ich so gut wie gar nichts davon weiß. Ich schäme mich aber doch lieber, als dass ich es lerne.«
Die Manuskripte, Rechnungen und Briefe verdeutlichen die Arbeitsweise von Einstein – und geben Einblick in seinen Charakter.
Nur einmal reiste Einstein ins damalige Palästina und lehnte es nach der Staatsgründung Israels ab, das Amt des Staatspräsidenten zu übernehmen – obwohl Premier David Ben Gurion ihm dieses angeboten hatte. Doch er unterstützte die Errichtung der Hebräischen Universität in Jerusalem und hielt auf dem Scopus-Berg im Jahr 1923 die allererste wissenschaftliche Vorlesung. Er war Mitglied des Verwaltungsrates und Vorsitzender des akademischen Ausschusses der Universität.
EIGENTUM Und: Einstein vermachte der Universität seinen Nachlass. Heute lagern dort, im Albert-Einstein-Archiv, 80.000 seiner Gegenstände, darunter Manuskripte, Briefe, Fotos, Diplome und Medaillen. »Wir von der Hebräischen Universität sind stolz, als ewige Heimat von Albert Einsteins intellektuellem Eigentum zu dienen, wie er es sich gewünscht hatte«, sagt Hanoch Gutfreund, der akademische Direktor des Archivs. Nun gehören auch die 110 neuen Originaldokumente dazu, die bislang bei einem privaten Sammler im amerikanischen North Carolina lagerten. Nach Angaben der Hebräischen Universität hat die Crown-Goodman Family Foundation mit Sitz in Chicago die Dokumente gekauft und an das Archiv in Jerusalem weitergegeben.
Auch in Einsteins Leben gibt es eine enge Verbindung zu den Vereinigten Staaten: 1879 in Ulm geboren, lebte er zunächst unter anderem in München, Zürich, Prag und Berlin. 1933, im Jahr der Machtergreifung der Nationalsozialisten, zog er in die USA und lehrte und forschte dort an der Eliteuniversität Princeton. Von dort schrieb er unter anderem an seinen in der Schweiz lebenden Sohn Hans Albert. Ein Brief, der nun veröffentlicht wurde, zeugt von den politischen Umbrüchen der Zeit: 1935 blickte Einstein mit Sorge auf die Entwicklungen – auch in der Schweiz. »Hoffentlich kommt es nicht noch zu einem europäischen Kriege. Die deutschen Rüstungen müssen äußerst gefährlich sein, aber das übrige Europa fängt nun an, die Sache endlich ernst zu nehmen, insbesondere die Engländer.« Unterschrieben hat er den Brief mit »Dein Papa«.
Die Dokumente des Nobelpreisträgers gehörten bisher einem privaten Sammler in den USA.
Politische Äußerungen und Einschätzungen sind für Einstein nicht ungewöhnlich. »Er hat sich immer gegen jegliche nationalistische Äußerung und gegen Verfolgung gestellt und trat für die Menschenwürde ein«, erklärt Hanoch Gutfreund. »Er war ein Pazifist mit einer interessanten jüdischen Identität, die sich mit der Zeit entwickelte.«
Originale Doch nicht nur politische oder private Äußerungen, auch 84 Seiten wissenschaftlicher Abhandlungen befinden sich unter den Dokumenten, die die Hebräische Universität nun veröffentlicht hat. Darunter handschriftliche mathematische Berechnungen, die er in den Jahren 1944 bis 1948 in Princeton angefertigt hat. In jener Zeit arbeitete er mit seinem Assistenten Ernst Straus zusammen, der zuvor an der Hebräischen Universität studiert hatte, wie Hanoch Gutfreund erklärt. »Wann immer Einstein einen Einfall hatte oder mit etwas nicht vorankam, setzte er sich hin und schrieb es auf.«
Dass das Genie Einstein mit seiner Arbeit zuletzt auch haderte, zeigt ein ganz besonderer Brief.
Nun sind auch diese handschriftlichen Dokumente im Besitz des Einstein-Archivs. »Ein Grund zur Freude«, so Gutfreund. Schließlich hätten Originale Charme und Wert. Inhaltlich sind die Unterlagen allerdings nicht ganz neu, hatte das Archiv doch schon vorher Kopien davon. »Das war allerdings so, als hätte ein Museum nur die Kopie eines van Gogh«, erklärt Gutfreund. »Außerdem können wir anhand der Originale mittels moderner Technologie untersuchen, in welchem Kontext die Manuskripte entstanden sind.«
Feldtheorie Und auch die Seite eines Appendix, die bislang als verschollen galt, ist nun aufgetaucht. Dieser Appendix gehörte zu einem Artikel über die Einheitliche Feldtheorie, die Einstein im Jahr 1930 bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften eingereicht hatte. Nach Angaben der Hebräischen Universität war der Artikel einer von vielen Versuchen Einsteins, die Naturkräfte in einer einzigen Theorie zusammenzufassen. Die letzten 30 Jahre seines Lebens habe er sich damit beschäftigt.
Dass das Genie Albert Einstein mit seiner Arbeit zuletzt auch haderte, zeigt ein Brief an seinen Freund Michele Besso: »Die ganzen 50 Jahre bewusster Grübelei haben mich der Antwort der Frage ›Was sind Lichtquanten‹ nicht nähergebracht. Heute glaubt zwar jeder Lump, er wisse es, aber er täuscht sich.« Dieser Brief sowie die anderen 109 neu erlangten Dokumente sollen laut Gutfreund Teil zukünftiger Ausstellungen des Archivs werden.