Mel Brooks

Memoiren eines lustigen Berserkers

Mel Brooks als Theaterchef Bronski im Remake von »Sein oder Nichtsein« (1983) Foto: imago images/Everett Collection

Wir müssen Mel Brooks’ Sohn Max danken, dass dieses Buch überhaupt zustande gekommen ist. Denn es war der auf Zombies spezialisierte Buchautor, der im Frühjahr 2020 zu seinem Vater sagte: »Du sitzt jetzt eh fest wegen der Pandemie, warum schreibst du nicht dein Leben auf?« Und Papa tat es. Brachial lustig wie immer, aber auch mit unerwartet nostalgischen Tönen.

480 Seiten zählen seine Memoiren All About Me! My Remarkable Life in Show Business (Alles über mich! oder auch Es geht nur um mich! Mein bemerkenswertes Leben im Showgeschäft). Der Meister des »Humor ist, wenn man besonders laut lacht« erzählt von seinen Anfängen in Brooklyn und im Borscht Belt, seinen Vorbildern und Mitstreitern in New York und Hollywood, der großen Liebe zu seiner Frau und ein bisschen sogar auch von seinen Ängsten.

Broadway Und natürlich von seinen Filmen, Broadway-Shows und TV-Stunts. Nach mehr als 100 davon wird er als Nächstes für einen Streamer endlich Die verrückte Geschichte der Welt: Part II drehen, gute 40 Jahre nach Teil eins. Buch, Serie und ein Haufen Interviews zum runden Geburtstag, und was haben Sie so vor mit 95?

Mel Brooks ist der Vater der überdrehten, Grenzen austestenden, kindisch-rauen Komödie. Er hat Hitler tanzen lassen (The Producers) und Cowboys um die Wette flatulieren (Blazing Saddles), zusammen mit seinem Kollegen Carl Reiner hat er den 2000-Jahre-alten-Mann-Sketch erfunden, und für den Film Get Smart den dümmsten Geheimagenten aller Zeiten.

Und als Antwort auf den »Star Wars«-Hype hat er Lord Helmchen auf die Leinwand geschickt (Spaceballs). Auch wenn er in All About Me! nicht das letzte Geheimnis seines Erfolges verrät, so räumt Brooks, geboren am 28. Juni 1926 als Melvin Kaminsky in Brooklyn, immerhin ein für alle Mal mit der ewigen Frage nach dem jüdischen Humor auf, als dessen Paradebeispiel er immer wieder herhalten muss.
»Die jiddische oder auch jüdische Komödie kommt aus der jüdischen Folklore, Scholem Alejchem und so was«, schreibt Brooks.

Gossen-Humor Den Humor von »großen Komikern« wie ihm jüdisch zu nennen, sei deshalb schlichtweg falsch. »Es war New Yorker Gossen-Humor: Die ewige Besserwisserei, die Schärfe, das kriegst du nur auf den Straßen von Brooklyn. Jüdische Komödie war weicher, lieblicher. Der New Yorker Humor war dagegen hart und explosiv. Er hat eine Grausamkeit, die es im jüdischen Humor nicht gibt.« Damit wäre das endlich geklärt.

Aber woher kommt denn nun die große Macht Ihres Lachens, Mister Brooks? »Lachen ist ein Protestschrei gegen den Tod, gegen den endgültigen Abschied.«
Von endgültigen Abschieden hatte Brooks einige zu verkraften, und das ist der nostalgische Teil des Buches. 2005 hat er seine geliebte Ehefrau verloren, Hollywoodschauspielerin Anne Bancroft (Die Reifeprüfung), über die er den wunderbaren Satz schreibt: »Eines Tages haben wir angefangen, miteinander zu reden, und wir haben nie aufgehört.« 2020 starb sein bester Freund Carl Reiner, den er zuletzt jeden Abend zum Essen traf. Auch die anderen Weggefährten, mit denen er Genre torpediert und Produzenten kirre gemacht hat, sind schon lange abgetreten: Sid Caesar, Richard Pryor, Gene Wilder. Altern ist nichts für Weichlinge, hat Bette Davis einst gesagt.

Hausaufgaben Und so datiert Brooks die besten Jahre seines Lebens auch auf die Zeit zwischen fünf und neun Jahren. Er sei ein freies, sorgloses, unbekümmertes, sehr glückliches Kind gewesen, dann habe es plötzlich Hausaufgaben gegeben, die Zeit mit seinen Spielkameraden wurde beschnitten, und er habe begriffen, dass man der Welt etwas zurückgeben muss, um sich seinen Platz in ihr zu verdienen. Hat ja bestens funktioniert.

Ob er mit 95 denn nun wisse, was der Sinn des Lebens sei, hat ihn gerade die wunderbare Terry Gross im US-Radiosender NPR gefragt. »Noch nicht«, antwortete Brooks trocken. »Vielleicht im zweiten Buch.« Sophie Albers Ben Chamo

Mel Brooks: »All About Me! My Remarkable Life in Show Business«. Random House UK 2021, 480 S., 20 €

Interview

»Wir stehen hinter jedem Film, aber nicht hinter jeder Aussage«

Das jüdische Filmfestival »Yesh!« in Zürich begeht diese Woche seine 10. Ausgabe, aber den Organisatoren ist kaum zum Feiern zumute. Ein Gespräch mit Festivaldirektor Michel Rappaport über den 7. Oktober und Filme, die man zeigen soll

von Nicole Dreyfus  06.11.2024

Glosse

Der Rest der Welt

Sukka-Fishing oder Sechs Stunden täglich auf dem Hometrainer

von Margalit Edelstein  06.11.2024

Meinung

Wir erleben eine Zäsur

Eine Resolution zum Schutz jüdischen Lebens ist in Deutschland nicht mehr selbstverständlich. Was bedeutet das für unsere Zukunft?

von Ayala Goldmann  05.11.2024

Film

Debatte gegen den Tod

Jurijs Saule inszeniert in »Martin liest den Koran« provokant eine thrillerhafte Diskussion über religiösen Extremismus und die Auslegung von Glaubensgeboten

von Jens Balkenborg  05.11.2024

Nachruf

»Also sprach Zarabauer«

Yehuda Bauer war nicht nur Historiker, sondern auch ein begnadeter Redner mit viel Humor

von Laurence Weinbaum  04.11.2024

Dokumentation

»Ein Bürger, ein Demokrat, ein Humanist, der für uns aufbegehrt«

Friedman erhält die Goethe-Plakette. Lesen Sie die Laudatio von Carolin Emcke

von Carolin Emcke  04.11.2024

Nachruf

Abschied von einem genialen Musiker und Produzenten

Quincy Jones produzierte Michael Jackson. Auch er selbst lieferte Unmengen an Musik

von Imanuel Marcus  04.11.2024

Hito Steyerl

Künstlerin mit Kompass

In ihrer Ausstellung »Normalität« setzt sich die Filmemacherin mit antisemitischer Gewalt auseinander

von Eugen El  04.11.2024

Literatur

Volker Kutscher veröffentlicht seinen letzten Rath-Roman

Dieser Band endet mit den November-Pogromen im Jahr 1938

von Christiane Laudage  04.11.2024