Mathematik

Meister der Dynamik

Erhielt den Preis für seine Arbeit »auf dem Gebiet der Ergodentheorie und deren Anwendung in der Zahlentheorie«: Elon Lindenstrauss Foto: Frank Albinus

Ein Marathonlauf ist anstrengend, doch wer ihn durchsteht, ist sehr glücklich», sagt Alex Lubotzky vom Einstein-Institut für Mathematik an der Hebräischen Universität Jerusalem. Der Lauf, den der drahtige Professor meint, findet aber nicht auf der Straße statt. Lubotzky spricht über Mathematik, eine Disziplin, die anstrengend zu lernen sei, am Ende aber umso schönere Erkenntnisse liefere. Gemünzt ist dieser Spruch auf Elon Lindenstrauss, den ersten Israeli, der mit der Fields-Medaille ausgezeichnet wurde. Dieser Preis wird von der Internationalen Mathematischen Union vergeben und gilt als gleichwertig mit einem Nobelpreis – den Alfred Nobel den Mathematikern seinerzeit jedoch verweigerte. Das wollte der kanadische Mathematiker John Charles Fields nicht hinnehmen und stiftete den nach ihm benannten Preis, der 1936 erstmals vergeben wurde.

«Im Grunde ist die Auszeichnung sogar wertvoller als der Nobelpreis», sagt Lubotzky. Denn die Fields-Medaille wird nur alle vier Jahre vergeben, der Nobelpreis dagegen jährlich. Dafür können sich Nobelpreisträger über ein wesentlich höheres Preisgeld freuen, das im letzten Jahr allein für Chemie insgesamt knapp eine Million Euro betrug. Die vier Gewinner der Fields-Medaille erhalten dagegen jeweils 15.000 kanadische Dollar, derzeit etwas mehr als 11.000 Euro. Anders als beim Nobelpreis gibt es für die Fields-Medaille eine Altersbeschränkung; die Preisträger dürfen nicht älter als 40 Jahre sein und müssen bereits herausragende Entdeckungen in der Mathematik gemacht haben.

torschluss Für Lindenstrauss war es also höchste Zeit, denn er feierte am 1. August seinen 40. Geburtstag. Zweieinhalb Wochen später wurde der alle vier Jahre stattfindende Internationale Mathematikerkongress im indischen Hyderabad eröffnet. Bei dieser Gelegenheit überreichte Staatspräsidentin Pratibha Patil die Fields-Medaillen an die vier Preisträger. Neben dem israelischen Forscher wurden der in Vietnam geborene Franzose Ngô Bao Châu, der Franzose Cédric Villani und der in der Schweiz lebende Russe Stanislaw Smirnow geehrt.

Die Themen, denen sich die Preisträger widmen, handeln von Zahlentheorie, fraktaler Mathematik oder dynamischen Systemen. «Das betrifft alle Arten von Systemen, die sich bewegen, zusammenbleiben oder konvergieren», sagt Günter M. Ziegler, Mathematikprofessor an der TU Berlin. Mit einem Spezialfall, den ergodischen Systemen, beschäftigt sich Lindenstrauss. Es geht darum, das Langzeitverhalten dynamischer Systeme mit Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie zu verstehen. Die Ergodentheorie war ursprünglich entwickelt worden, um die Bewegung von Himmelskörpern beschreiben zu können. Lindenstrauss gelang es, wichtige theoretische Probleme zu lösen. «Heute gibt es viele Anwendungen vor allem in der statistischen Mathematik», erklärt Zieglers Kollege Volker Mehrmann. So lasse sich das Verhalten von Gasen beschreiben und auch Quantensysteme ließen sich besser verstehen.

familientradition Geboren wurde Elon Lindenstrauss in Jerusalem als Sohn des Mathematikers Joram Lindenstrauss, heute emeritierter Professor am Einstein-Institut und Mitglied der israelischen Akademie der Wissenschaften. Elon trat in die Fußstapfen seines Vaters, studierte Mathematik und Physik an der Hebräischen Universität, machte 1995 den Master-Abschluss und promovierte 1999. Dann zog es ihn in die USA, als Postdoc nach Princeton und als Assistenzprofessor nach Stanford (Kalifornien). 2004 wurde er Professor in Princeton, seit 2008 auch am Einstein-Institut. Ab 1. September wird Lindenstrauss sich ganz auf den Lehrstuhl in Jerusalem konzentrieren. Princeton will der dreifache Vater aber weiter als Gastforscher verbunden bleiben.

Seine Kreativität dokumentieren neben zahllosen Veröffentlichungen auch eine ganze Reihe wichtiger Preise. So erhielt er beispielsweise 2003 den Salem-Preis und 2004 den Preis der Europäischen Mathematischen Gesellschaft (EMS). Dass Lindenstrauss jetzt die Fields-Medaille nach Jerusalem bringt, kennzeichnet die hervorragende Stellung Israels in der Mathematik. «Beim Ländervergleich liegt Israel hinter den USA an zweiter Stelle gleichauf mit Frankreich», sagt Ziegler. «Israelische Mathematiker sind vor allem in der Theorie Weltspitze», fügt Mehrmann hinzu. So kam für ihn die Auszeichnung von Lindenstrauss nicht überraschend. Die angewandte Mathematik werde in Israel allerdings noch ein wenig vernachlässigt. Dank der Ergebnisse von Elon Lindenstrauss könnte sich daran bald etwas ändern.

Hollywood

Die »göttliche Miss M.«

Schauspielerin Bette Midler dreht mit 80 weiter auf

von Barbara Munker  28.11.2025

Literatur

»Wo es Worte gibt, ist Hoffnung«

Die israelische Schriftstellerin Ayelet Gundar-Goshen über arabische Handwerker, jüdische Mütter und ihr jüngstes Buch

von Ayala Goldmann  28.11.2025

Projektion

Rachsüchtig?

Aus welchen Quellen sich die Idee »jüdischer Vergeltung« speist. Eine literarische Analyse

von Sebastian Schirrmeister  28.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  28.11.2025

Aufgegabelt

Hawaij-Gewürzmischung

Rezepte und Leckeres

 28.11.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 28.11.2025 Aktualisiert

Fernsehen

»Scrubs«-Neuauflage hat ersten Teaser

Die Krankenhaus-Comedy kommt in den Vereinigten Staaten Ende Februar zurück. Nun gibt es einen ersten kleinen Vorgeschmack

 28.11.2025

Eurovision Song Contest

Spanien bekräftigt seine Boykottdrohung für ESC

Der Chef des öffentlich-rechtlichen Senders RTVE gibt sich kompromisslos: José Pablo López wirft Israel einen »Genozid« in Gaza und Manipulationen beim Public Voting vor und droht erneut mit dem Austritt

 28.11.2025

Imanuels Interpreten (15)

Elvis Presley: Unser »King«

Fast ein halbes Jahrhundert nach Elvis’ Tod deutet viel darauf hin, dass er Jude war. Unabhängig von diesem Aspekt war er zugleich ein bewunderns- und bemitleidenswerter Künstler

von Imanuel Marcus  28.11.2025