Redezeit

»Meine Videos stellen universelle Fragen«

Yael Bartana über ihre Kunst, jüdische Vergangenheit in Polen, alte und neue Werke

von Jan Schapira  26.03.2015 11:35 Uhr

Yael Bartana Foto: Itai Neeman

Yael Bartana über ihre Kunst, jüdische Vergangenheit in Polen, alte und neue Werke

von Jan Schapira  26.03.2015 11:35 Uhr

Frau Bartana, in der Video-Triologie »And Europe Will Be Stunnend«, die zurzeit im Martin-Gropius-Bau zu sehen ist, geht es um eine fiktive jüdische Heimkehr nach Polen. Wie würden Sie selbst Ihre Arbeit beschreiben?
In dem Video geht es um das Recht auf Rückkehr und wie man mit einer vergangenen Tragödie umgeht. Dabei zeigen meine drei Filme eine alternative Geschichte auf, die viel mit dem Zionismus und Israel zu tun hat. Die Arbeit stellt unter anderem auch den Ausschluss von Menschen aufgrund ihrer nationale Zugehörigkeit in Frage. Ich habe darüber nachgedacht, ob wir Israelis das Recht haben nach Europa zurückzukehren? Und was würde das bedeuten? Dann stellt sich mir diese Frage auch im Kontext des Nahen Ostens, was ist mit den Palästinensern? Haben sie ein Recht auf Rückkehr? Ich fühle mich allen Menschen solidarisch verbunden, die ihre Heimat verloren haben.

Wie sind Sie auf die Idee zu dieser Arbeit gekommen?
2006 wurde ich nach Polen eingeladen, um dort meine Kunst zu zeigen. In den Wochen, die ich dort verbrachte, versuchte ich das Land und seine Politik zu verstehen. Was mich sehr beeindruckt hat, war das Gefühl von der Abwesenheit jüdischen Lebens. Und das reflektierte sich auch in dem damaligen öffentlichen Diskurs über die Rolle der Polen im Holocaust und nach dem Krieg. Dabei ging es nicht nur um Juden, sondern auch um andere Minderheiten wie Russen und Ukrainer. Man kann sagen, dass Polen in dieser Zeit zu einhundert Prozent polnisch geworden ist. Ich habe dann dort politische Aktivisten kennengelernt, die sich kritisch mit diesen Fragen beschäftigten und die auch in meinem Film mitgemacht haben.

Wie passt das Thema Ihrer Arbeit in die aktuelle Ausstellung in Berlin?

Zunächst handelt es sich bei dem Austausch zwischen dem Museum in Tel Aviv und in Berlin um eine schöne alte Tradition, nämlich dass Kunststätten aus unterschiedlichen Ländern sich ihre Werke untereinander leihen. In dem spezifischen Fall ist die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland der Anlass. Es geht also nicht so sehr darum inwiefern meine Arbeit ein Kommentar zur aktuellen politischen Situation abgibt. Aber natürlich stellen meine Videos universelle Fragen nach dem Nationalstaat, Migration, Fremdenfeindlichkeit und auch Propaganda.

Sie leben inzwischen in Berlin. Haben Sie hier auch ein solches Gefühl von der Abwesenheit des Jüdischen wie in Polen?
In ganz Europa gibt es diese Leere. Der Verlust ist sehr stark und man fühlt die Vergangenheit, auch durch die Gegenwart all der Monumente in der Stadt. Aber dann ist da natürlich auch mein Alltag, ich bin verheiratet mit einer deutschen Frau und wir haben einen gemeinsamen Sohn. Ich beschäftige mich also nicht jeden Tag mit der Frage nach dieser Abwesenheit des Jüdischen, aber in manchen Momenten eben schon.

Ihre Arbeit ist neben Werken wie Marc Chagall, Pablo Picasso oder Jackson Pollock zu sehen. Was halten sie von dem Ausstellungskonzept Künstler der Gegenwart mit denen der Moderne zu konfrontieren?

Sie wollen wissen wie es ist, gemeinsam mit den Toten auszustellen? Sehr schön. Ich mag den Dialog mit der Vergangenheit und mich mit ihr zu verbinden. In der Ausstellung im Martin-Gropius-Bau begegnen sich dann Objekte und Malerei moderner Künstler mit meinen Videos. Da stellen sich interessante Beziehungen her.

Mit der Künstlerin sprach Jan Schapira.

»Jahrhundertzeichen. Tel Aviv Museum of Art auf Besuch in Berlin«. Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin. 27. März bis 21. Juni. Öffnungszeiten: Mi. bis Mo., 10 bis 19 Uhr, Di. geschlossen

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