Jugend

Mein Zimmer, mein Laden, meine Musik

Der flauschige, cremefarbene Teppich ist übersät mit Schnipseln, Bilder hängen zerrissen von der Wand, und das Bett ist völlig zerwühlt. Es ist ein Jugendzimmer aus der Gegenwart, mit modernen Ikea-Möbeln, Fußballpostern und Mangas, doch niemand wohnt darin. Denn es gehört zur Ausstellung »7xjung - Dein Trainingsplatz für Zusammenhalt und Respekt«, die am Donnerstag am Berliner S-Bahnhof Bellevue eröffnet. 7xjung, das sind sieben Räume, die wiederum sieben verschiedene Situationen darstellen – und alle im Heute angesiedelt sind. Damit möchte die Initiative »Gesicht Zeigen!« Jugendlichen »konstruktiv Geschichte vermitteln«. Das heißt, sie für Themen wie Ausgrenzung, Verfolgung, Antisemitismus und Rassismus sensibilisieren. »Wir wollten mit der Ausstellung etwas völlig Neues machen«, sagt Sophia Oppermann, Geschäftsführerin von Gesicht Zeigen!. Denn die meisten Konzepte, die sich mit dem Thema Ausgrenzung und Verfolgung von Minderheiten auseinandersetzen, würden Jugendliche inhaltlich nicht erreichen.

Trikots Das ist bei 7xjung ganz anders. Hier setzt man aufs Fühlen, Bewegen, Sehen, Verstehen. Und vor allem aufs Mitmachen. Wie in dem Themenraum »Mein Sport«, der wie eine Turnhalle gestaltet ist. Lange Holzbänke stehen darin, ein Kasten, und von der Decke baumeln Reifen. Hellblaue Trikots hängen an einer Stelle, und an den weiß getünchten Wänden sind Porträts von jungen Wasserballern angebracht. Dazwischen Geschichten, die die Schauspielerin Agnieszka Piwowarska nach authentischen Erzählungen und Fotografien über den jüdischen Sport aufgeschrieben hat. Schulklassen werden in der Ausstellung von Pädagogen betreut, die die Teenager mit Aufwärmübungen und Bildinterpretationen ermuntern, darüber nachzudenken, wie es für sie wäre, wenn einer ihrer Mitschüler nicht mehr am Sportunterricht teilnehmen dürfte. Nur weil er eine andere Religion oder Hautfarbe hat.

Genauso ist es auch im Raum »Meine Stadt«. Vier weiße bekritzelte Parkbänke stehen darin, auf dem Boden liegen Flugblätter, die sich bei genauerem Hinsehen als Gebrauchsanweisung entpuppen: Wie bastelt man den Schriftzug »Nieder mit Hitler« auf einen Koffer? Genau solche, die zum Beispiel Anna Beyer, die der Widerstandsgruppe des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes angehörte, in illegalen Aktionen auf alten Lumpenkoffern anbrachte. Der 17-jährige Mustafa, der zu einer der Schulklassen gehört, mit denen das pädagogische Konzept der Ausstellung auf die Probe gestellt wurde, hat Ausgrenzung im Raum »Meine Stadt« selbst erfahren. »Auf einmal gab es keinen Platz für mich«, sagt der Schüler, denn er durfte sich auf keine der Parkbänke setzen. So, wie es vielen Juden ging, die sich nur noch dort hinsetzen durften, wo ein »J« stand und so langsam aus dem öffentlichen Leben verdrängt wurden.

Eisdiele In jedem Themenraum, ob »Meine Musik«, »Meine Papiere«, »Mein Laden« und »Meine Familie«, sollen sich die Besucher Fragen stellen. Wie hätten sie gehandelt, wenn ihnen etwas Wichtiges genommen wird? Wenn sie gewaltsam von ihrer Familie getrennt worden wären? Oder wenn sie nicht mehr an Orte wie eine Eisdiele oder ein Tanzcafé hätten gehen können?

7xjung ist ein Erlebnis, das tief berührt und beeindruckt. Der Vorsitzende von Gesicht Zeigen!, Uwe-Karsten Heye, betont, dass die Ausstellung sich nicht nur an Jugendliche richtet. Bis September ist die Finanzierung des umfangreichen pädagogischen Projektes, das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin sowie vom Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Migration gefördert wird, gesichert. Auch der Schirmherr, Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder, weiß:»Das kostet.« Und ist sich sicher, »dass die Bahn bestimmt für die Nebenkosten aufkommen wird«. Vielleicht sind die Weichen dafür gut gestellt. Immerhin hat das Unternehmen ihre Räume für »7xjung« zur Verfügung gestellt.

Aufgegabelt

Plätzchen mit Halva

Rezepte und Leckeres

 05.12.2025

Kulturkolumne

Bestseller sind Zeitverschwendung

Meine Lektüre-Empfehlung: Lesen Sie lieber Thomas Mann als Florian Illies!

von Ayala Goldmann  05.12.2025

TV-Tipp

»Eigentlich besitzen sie eine Katzenfarm« - Arte-Doku blickt zurück auf das Filmschaffen von Joel und Ethan Coen

Die Coen-Brüder haben das US-Kino geprägt und mit vielen Stars zusammengearbeitet. Eine Dokumentation versucht nun, das Geheimnis ihres Erfolges zu entschlüsseln - und stößt vor allem auf interessante Frauen

von Manfred Riepe  05.12.2025

Köln

Andrea Kiewel fürchtete in Israel um ihr Leben

Während des Krieges zwischen dem Iran und Israel saß Andrea Kiewel in Tel Aviv fest und verpasste ihr 25. Jubiläum beim »ZDF-Fernsehgarten«. Nun sprach sie darüber, wie sie diese Zeit erlebte

 05.12.2025

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann wird heute mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt. Bislang schwieg sie zur scharfen Kritik an ihrer Arbeit. Doch jetzt antwortete die ARD-Journalistin ihren Kritikern

 04.12.2025

Antisemitismus

Schlechtes Zeugnis für deutsche Schulen

Rapper Ben Salomo schreibt über seine Erfahrungen mit judenfeindlichen Einstellungen im Bildungsbereich

von Eva M. Grünewald  04.12.2025

Literatur

Königin Esther beim Mossad

John Irvings neuer Roman dreht sich um eine Jüdin mit komplexer Geschichte

von Alexander Kluy  04.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter, Imanuel Marcus  04.12.2025